Grenzfälle der Technik - Unerklärliches Phänomen "Tauschbörse"
30.04.2016; 09:18 Uhr
Sicherlich beruhen nachfolgende Ausführungen auf meinen ureigenen Standpunkt, basieren auf nicht nachgewiesenen technischen Qualifizierungen und studierten Kenntnissen, noch bin ich jahrelanger Gerichts-erfahrener juristischer und technischer Sachverständiger, der jahrelang die unfähige Anwaltschaft berät (jedenfalls nur als verbal-anonymer Teamplayer; für Applaus, Applaus reicht es). Und wer jetzt denkt, das ist doch eine Werbeveranstaltung für "Waldorf Frommer" ... derjenige sollte jetzt mit Lesen aufhören.
Es ist doch in den letzten Jahren immer wieder in den diversen Foren und Klageerwiderungen zu lesen,
- die Logfirma ermittelt Fehlerhaft ... ich habe diesbezüglich schon viel gelesen
- die Software der Logfirma ist fehlerhaft ... ich habe diesbezüglich schon viel gelesen
- laut Abmahnung betrug der Download 3 sec, ich habe DSL 24.000, das heißt in dieser Zeit wäre nur ...
- ich habe den Film nur für wenige Nanosekunden angeklickt und sofort wieder gelöscht
- ich habe den Film nur heruntergeladen und nicht angeboten ...
- man muss mir erst einmal vor Gericht beweisen, das ich den Film herunterlud
- ich habe den Upload doch auf Null gesetzt
- ich habe einen speziellen No-Upload-Client
usw. usf.
Dieses kennt jeder selbst und hat bestimmt vielmals gedacht oder gelesen. Nur, ist denn eine Tauschbörse wirklich so ein Grenzfall der Technik bzw. Unerklärliches Phänomen!? Denn wie ich es verstehe, beruht die Tauschbörse auf dem Prinzip: "Geben und Nehmen". Der Normalo -
im Weiteren nur auf den Regelfall eingehend - wird einen Filesharing-Client sich heraussuchen, das Progi herunterladen und installieren. Dann wird er eine Webseite suchen, wo Links stehen, die zu einem Film führen, den er mit den Client herunterladen kann und will. Er muss jetzt diesen Link anklicken, wobei dieser sich im Client öffnet und den Download einleitet. Hier getreu dem Prinzip der Tauschbörse, wird "genommen" (heruntergeladen, Download) und gleichzeitig "gegeben" (angeboten, Upload). Mehr ist es doch nicht. Und wer es nicht glaubt, sollte doch einmal in seinen schauen, was bei einem Download (z.B. einer legalen Demoversion eines Games) ersichtlich ist. Und dies ist eben alles kein Hexenwerk oder eine Technik, wozu es ein jahrelanges Studium an eine Technische Universität bedarf.
Das Problem im Grundsatz ist, das wir den Wald nicht vor lauter Bäumen sehen. Hierzu muss man eben von Anfang an zurückspulen. Wer war zuerst da, der Link oder der Client?
- 1) Ermittlung eines Rechtsverstoß in der Tauschbörse durch die beauftragte Logfirma
2) Antrag zur Herausgabe der Daten hinter der Person zur P2P-IP (gem. § 101 IX UrhG) wurde beim Provider-Landgericht gestellt und gestattet
a) hier gilt Glaubhaftmachung und Anscheinsbeweis
b) das Gestattungsgericht prüft nicht die Berechtigung der Ansprüche, sondern nur ob die Herausgabe von Verkehrsdaten gestattet werden kann
3) Provider ordnet diese P2P-IP einem seinem Kunden zu und muss diese dem Abmahner übermitteln (wenn gespeichert)
4) Abmahner versendet sein Schreiben
Mit der Ermittlung, der Zuordnung im Rahmen des zivilrechtliches Auskunftsprozedere steht jetzt -
nach dem Bundesgerichtshof -
- 1) tatsächliche Vermutung, das der Rechteverstoß über den Anschluss aus begangen wurde
2) tatsächliche Vermutung, das der Anschlussinhaber (kurz: AI) dafür verantwortlich ist
3) Der AI muss zu 1) und zu 2) beweisbar, nachvollziehbar und zumutbar ("Gummibegriff") dieses tatsächliche Vermutung entkräften
Gelingt dieses, ist es O.K. Gelingt es nicht, haftet der AI als
- a) Störer + Täter /Teilnehmer*,
b) Störer oder
c) Täter / Teilnehmer*
* In diesen Konstellationen muss der wahre Verursacher nicht mehr ermittelt werden.
Dann -
vielmals insbesondere in den Foren überbewertet - ist es schon von gewissen Vorteil einige Grundlagen des Zivilrechts zu kennen. Und mann muss es deutlich sagen, diese müssen nicht wir kennen, sondern die von uns beauftragten Anwälte. Warum? Es gibt nun einmal dieser Gesetze, Rechtsschriften und Rechtsprechung, mit denen -
alle - zurechtkommen müssen.
»- Wer sich auf etwas beruft, dem obliegt die Beweislast.
- Eine Behauptung ist ein Tatsachenvortrag und muss bewiesen werden. Der Beweis ist erbracht, wenn die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.
- Stimmen die Parteien zu einem Sachverständigen-Gutachten zu, bezahlt den Kostenvorschuss die beweiserbringende Partei, der Verlierer alles!
- Legt der Richter fest, was hinsichtlich seiner Urteilsfindung begutachtet werden soll.
- Ein unabhängiges von Gericht veranlasstes Sachverständigen-Gutachten wiegt ein Privates auf.
«[/b]
Natürlich gibt es noch mehr, aber man muss niemand sofort verwirren. Jetzt kommt es darauf an, wie will ich mich z.B. einer Verteidigung mit erhaltener Klage aktiv verteidigen.
- 1. Naturwissenschaftliche Seite - Beweiskette
2. Juristische Seite - Aktivlegitimation, Verjährung, sekundäre Darlegungslast
Genauer, auf welche Seite will ich mein Hauptaugenmerk legen.
Lege ich nun den -
alleinigen - Hauptaugenmerk auf die naturwissenschaftliche Seite, sollte ich aber beachten ...
"Bestreiten, Bestreiten mit Nichtwissen!"
Ich kann einen Vortrag der Gegenseite bestreiten, die Gegenseite wiederum meinen.
- a) substantiiertes Bestreiten
muss im Einzelnen vorgetragen werden, wie es sich denn wirklichen verhalten haben soll.
b) Bestreiten mit Nichtwissen
kommt in Betracht, wenn der Bestreitende über die behauptete Tatsache keine Kenntnis hat und auch nicht haben kann bzw. zu haben braucht.
»- Substantiiertes Bestreiten muss substantiiert bewiesen werden.
- Der Vortragende muss nun die Richtigkeit seiner Behauptung beweisen.
- Wird etwas nicht bestritten, gilt es als eingestanden.
«[/b]
Einfaches Beispiel.
- Kläger trägt vor, das die IP-Adresse fehlerfrei in der Tauschbörse ermittelt wurde.
- Beklagter bestreitet dieses mit Nichtwissen.
- Der Kläger muss jetzt vortragen, das die IP-Adresse fehlerfrei ermittelt wurde.
- Richter kann bei Einverständnis der beiden Parteien ein Sachverständigen-Gutachten einholen, um zu klären: "Ermittelt die Software fehlerfrei IP-Adressen in P2P-Netzwerken".
- Der Kläger ist jetzt die beweiserbringende Partei und muss den Kostenvorschuss leisten.
- unabhängige Sachverständiger wird begutachten, das die Software fehlerfrei IP-Adressen ermitteln kann.
"Spinnerei? Dann schaut mal hier!"
Weiterführende Links hinsichtlich Urteil mit Sachverständigen-Gutachten:
- LG München, Az. 21 S 2043/15
- LG München, Az. 21 S 1401/15
- LG München, Az. 21 S 5929/15
- LG München, Az. 21 S 21719/14
- LG München, Az. 21 S 15609/14
- AG München, Az. 155 C 27136/12
- AG München, Az. 142 C 17300/12
- AG München, Az. 161 C 8756/11
- AG München, Az. 111 C 30105/12
- AG München, Az. 171 C 22116/13
- AG München, Az. 171 C 22117/13
Es zieht sich dabei durch, wie ein roter Faden. Entweder trägt der Beklagte irgendwelche Spekulationen vor, oder er bestreitet die Beweiskette -
ohne etwas konkretes auf der Hinterhand (fehlerhafte Software, falsche IP-Adresse, fehlerhafte Zuordnung, Zahlendreher usw.) - zu haben. Es geht mir -
es ist zwar Euer Geld - auf den Zeiger, wie blauäugig man einem Sachverständigen-Gutachten zustimmen kann. Wie gesagt -
ohne - etwas auf Hinterhand zu haben.
Aber, für mich -
nach m.E. - ist die technische "Wernimänner Überqualifizierung", selbst ernannten technische Dummschwätzer Sachverständigen, fehlende Kenntnisse des Zivilrechts und dumme Arroganz die Hauptursachen. Ganz zu Schweigen, das man mit diesen dem Abmahner dienenden selbst gesponserten Gerichtsgutachten anderen Betroffenen eine Bärendienst erweist. Und ja, es ist zwar Euer Geld, aber es regt mich regelmäßig auf, wie man -
ohne etwas auf Hinterhand zu haben - es auf Richter-Gutachten ankommen lässt.
"P2P ist kein Hexenwerk!"
Ich persönlich habe nur einmal ein Gutachten gesehen, was uns zum damaligen Zeitpunkt geholfen hätte, was aber durch geschickten Prozessverhalten des Klägers und Dummheit der Beklagtenseite zunichte gemacht wurde. Schon aus diesem Grund werde ich zu keiner Spendenaktion mehr aufrufen.
Wenn ich schon dies ganzen -
theoretischen - technischen Ausführungen und Spitzfindigkeiten in den Foren lese, wird mir regelmäßig übel. Geht es nämlich dann um das Beweisen -
im konkreten Einzelfall - ist Ruhe.
Und sind wir uns einig, mit der Klageschrift und Ergebnis der Beweiserhebung (Logfirma, Gestattung, Zuordnung) steht doch die tatsächliche Vermutung für die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers im Raum. Und auch wen wir es nicht für Möglich halten, so technisch doof sind die Richter nicht. Denn P2P ist wirklich nicht so schwer Begreifbar.
Nur Informativ:
AG Charlottenburg, Urteil vom 10.03.2016, Az. 218 C 321/15
- (...) Zur Erschütterung einer Vermutung ist es vielmehr erforderlich, die Tatsachen, aus denen sich die Erschütterung ergeben soll, auch zu beweisen, wenn sie denn bestritten sind. (...)
AG Leipzig, Urteil vom 24.02.2016, Az. 102 C 3470/15
- (...) Zum anderen hat der Beklagte die Richtigkeit und die Zuverlässigkeit entsprechender Ermittlungen lediglich pauschal und in theoretischen Fällen bestritten Bereits hier erfolgt seitens des Beklagten jedoch kein substantiierter Sachvortrag zu fehlerhaften Ermittlungen, wie in anderen vergleichbaren Fällen. Der Beklagte äußert lediglich theoretische Bedenken über die technische Zuverlässigkeit der Ermittlungen. Der Beklagte hat jedoch nicht konkret ausgeführt, in welchen anderen Fällen technische Fehler zu fehlerhaften Feststellungen geführt hätten oder in welchen Fällen Mängel der Datenermittlung bei einem solchen Verfahren belegt worden seien.
(...)
Der Beklagte ist darüber hinaus nicht darauf eingegangen,warum er vom einer fehlerhaften technischen Ermittlung ausgeht , obwohl seitens der überprüfenden Beauftragten der Klägerin eine Verbindung zum Computer des Beklagten über einen längeren Zeitraum hergestellt wurde im Rahmen eines Probedownloads. Zudem geht die Beklagte auch nicht darauf ein, inwiefern sich eine fehlerhafte Ermittlung mit dem gleichen Ergebnis insgesamt in einer Mehrzahl von Fällen wiederholen könnte. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, dass neben dem streitgegenständlichen Verstoß ein gleichartiger Verstoß über den Internetanschluss des Beklagten auch in einem weiteren Fall am [Datum] festgestellt wurde Im Falle einer fehlerhaften technischen Ermittlung hätte sich der identische Fehler mehrfach wiederholen müssen, was zunächst ohne weiteren Sachvortrag des Beklagten ausgeschlossen erscheint (vgl. OLG Köln Urteil vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13). Die Verstöße selbst waren auch nicht bestritten. (...)
AG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.02.2016, Az. 30 C 2838/15 (75)
- (...) Soweit der Beklagte behauptet, ein unberechtigter Dritter hatte unter Umgehung der Sicherheitsvorkehrungen den Internetanschluss genutzt, handelt es sich um eine vage Vermutungen, ohne konkrete Anhaltspunkte. In einem solchen Fall fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, ein Dritter könnte die Verletzungshandlung mit - alleiniger- Tatherrschaft begangen haben (vgl. BGH, Urteil vom 11.06 2015, I ZR /5/14 Tauschbörse III). (...)
Fazit
"Alle Tipps - auch die blödsinnigsten - funktionieren natürlich auch, wenn und solange der Gegner keine Klage erhebt."
Rechtsanwalt Dr. Frank Eikmeier, 2009, Gulli:Board
... und man selbst seine Behauptung gerichtlich dann beweisen kann. Ausrufezeichen. Dabei ist mir egal, was man von mir denkt. Punkt.
VG Steffen