(...) Geschäftsnummer: 231 C 121/15
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der I-ON New Media GmbH,
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gegen
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Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Jüdemann, Weiserstraße 10 - 12, 10771 Berlin, ...
hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 231, auf die mündliche Verhandlung
vom 24.06.2015 durch die Richterin am Amtsgericht Dr. "..." für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 120 des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film "Cherry Bomb" u.a. für das Lizenzgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere habe sie, als solches unstreitig, von diesem Film die deutsche Synchronfassung des Films herstellen lassen und werde auf dem DVD-Cover genannt.
Der Beklagte habe den streitgegenständlichen Film am 28.09.2012 um 19:56:57 Uhr über die IP-Adresse xx.xxx.xxx.xxx und am 29.09.2012 um 20:23: 1 0 Uhr über die IP-Adresse xx.xxx.xxx.xxx in einer sog. Tauschbörse zum Download für Dritte zur Verfügung gestellt. Dies stehe fest aufgrund der Ermittlungen der von der Klägerin mit der Überwachung von Urheberrechtsverstößen im Internet beauftragten "IPP International UG" und der Auskunft der "Telefonica Germany GmbH & Co. OHG" vom 04.10.2012 aufgrund eines von der Klägerin erwirkten Beschlusses des Landgerichts München I vom 04.10.2012, wonach diese IP-Adressen zu den genannten Zeiten dem Anschluss des Beklagten zugeordnet gewesen seien. Die Ermittlungssoftware arbeite fehlerfrei und werde regelmäßig überprüft.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.10.2012 wurde der Beklagte sodann unstreitig von den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen Anbietens dieses Film abgemahnt und zur Zahlung von Schadensersatz und Ersatz von Anwaltskosten in Höhe eines Pauschalbetrages von 1.298,- EUR aufgefordert .
Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung seien vom Beklagten nach einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,- EUR zu erstatten. Darüber hinaus stehe der Klägerin ein Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von jedenfalls 646,20 EUR zu. Jedenfalls hafte der Beklagte als Störer.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 646,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen den Beklagten zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 651,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bestreitet die Rechteinhaberschaft der Klägerin mit Nichtwissen.
Der Beklagte behauptet, er habe den Film zu keinem Zeitpunkt über das Internet Dritten zum Download zur Verfügung gestellt. Auf seinem PC habe sich weder die streitgegenständliche Datei noch ein Programm, das die Verbreitung von Dateien in sog. Tauschbörsen ermögliche, befunden. Er habe sich zu beiden behaupteten Tatzeitpunkten nicht in seiner Wohnung befunden, da er jeweils mit seinen zwei Hunden zum Spaziergang draußen gewesen sei. Der einzige internetfähige PC sei nach seiner Kenntnis zu diesem Zeitpunkt jeweils ausgeschaltet gewesen. Seine mit ihm in der Wohnung lebende Ehefrau sei zu den Tatzeitpunkten in der Wohnung gewesen. Auch sei es möglich, dass die gemeinsame volljährige Tochter zu diesen Zeitpunkten in der Wohnung gewesen sei, was sich aber seiner Kenntnis entziehe. Beide hätte über den Abschluss des Beklagte auch Zugriff auf das Internet gehabt. Die Ehefrau habe, zur Tat befragt, diese bestritten.
Der verwendete Router sei - unstreitig - durch ein nutzereignes Passwort nach dem Standard WPA2-PSK gesichert gewesen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Das Amtsgericht Charlottenburg ist gemäß §§ 12, 13 ZPO, 104a, 105 UrhG ausschließlich zuständig.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 1.298,- EUR.
1. Ein Anspruch ergibt sich nicht gemäß § 97 Abs. 2 UrhG gegen den Beklagten als Täter der von der Klägerin behaupteten Urheberrechtsverletzung. Es kann insoweit zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie aktiv legitimiert ist, dass die Ermittlung der IP-Adressen und deren Zuordnung zu dem Anschluss des Beklagten zu den behaupteten Zeitpunkten zutreffend war (wofür in der Tat spricht, dass es sich um zwei verschiedene Adressen handelt) und dass tatsächlich von diesen IP-Adressen ein Upload des streitgegenständlichen Films erfolgte. Allerdings bestehen an der Aktivlegitimation durchaus Bedenken. Denn die Klägerin ließ zwar unstreitig die deutsche Synchronfassung erstellen, dadurch können aber keine Rechte entstehen, die über die lizenzierten Rechte hinaus gehen. Insoweit behauptet die Klägerin schlüssig nur Rechte betreffen die Veröffentlichung als DVD. Auch behauptet die Klägerin nur unzureichend, dass gerade die deutsche Synchronfassung angeboten worden sei. Dies kann aber dahin stehen.
Denn die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers ist als anspruchsbegründende Tatsache nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen aber von der Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (OLG Köln, Urteil v. 16.05.2012, Az. 1-6 U 239/11, 6 U 239/11, - juris), wobei allerdings gewisse Beweiserleichterungen gelten. Wird ein geschütztes Werk von einer IP- Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht im Allgemeinen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGHZ 185, 330 - Sommer unseres Lebens -). Daraus wiederum folgt zutreffend auch eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, welcher geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen, da die betreffenden Vorgänge allein in seiner Sphäre liegen. Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, der Gegnerin alle für ihren Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (OLG Köln, a.a.O. m.w.N.). Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12- BearShare, - juris). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH, a.a.O.).
Vorliegend ist der Beklagte seiner oben geschilderten sekundären Darlegungslast nachgekommen. Er hat nicht lediglich pauschal bestritten, Täter der Urheberrechtsverletzung zu sein, sondern Tatsachen vorgetragen, die die Täterschaft einer anderen Person genauso wahrscheinlich sein lassen. Der Vortrag des Beklagten ist insoweit weder vage noch lässt er konkrete Schilderungen vermissen (vgl. die Entscheidung des OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13). Der Beklagte schildert vielmehr ganz konkret, dass es zwei weitere mögliche - davon eine dauerhafte - Nutzerinnen seines Internetanschlusses gab, welche ebenfalls als Täterinnen in Betracht kommen. Auch trägt er konkret vor, dass er zu beiden behaupteten Tatzeitpunkten nicht zu Hause gewesen und sein Rechner zuvor ausgeschaltet gewesen sei. Der Beklagte hat zudem seine Ehefrau - dass die volljährige Tochter als Täterin in Betracht komme, ist lediglich eine Vermutung - auch befragt, wo dass er seiner Nachforschungspflicht im Rahmen des Zumutbaren nachgekommen ist.
Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 ff - Morpheus -). Solche Umstände hat die Klägerin nicht dargetan. Insoweit reicht es nicht, zu bestreiten, dass die Ehefrau Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten hatte, und dass der Beklagte nicht anwesend gewesen sei. Der entsprechende Beweisantritt ist unzulässig auf Ausforschung gerichtet. Die Klägerin kann ersichtlich nicht wissen, wer in der Familie Zugriff auf den Internetanschluss hatte. Die Beweisaufnahme soll letztlich dem Zweck dienen, herauszufinden, wer den Film zum Download angeboten hat.
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aber auch keinen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten als erforderliche Aufwendungen im Sinne von § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG als sog. Störer. Als Störer kann bei Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und in wieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, a.a.O.).
Den Beklagten treffen jedoch weder Belehrungs-, noch anlasslose Prüf- oder Kontrollpflichten in Bezug auf seine Ehefrau. Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH, a.a.O.). Danach ist bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige zu berücksichtigen, dass zum Einen die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht, und zum Anderen Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Mit Blick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortlichkeit von Volljährigen darf der Anschlussinhaber einer volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diese belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber - etwa aufgrund einer Abmahnung - konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass die volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, a.a.O.).
Dass der Beklagte bereits früher abgemahnt wurde oder sonst Anlass hatte, einen Missbrauch des Internetanschlusses durch seine Ehefrau zu befürchten, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
Dass eine ausreichende Sicherung des WLAN-Anschlusses vorlag, ist schließlich unstreitig.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. (...)