Substantiiert oder nicht substantiiert -
das ist hier die Frage ( und Lösung!)!
[quoteemMistreaded]Herzlichen Dank für den letzten Beitrag. Dazu möchte ich aber auch mal hinterfragen ob nicht die Grenzen
der sekundären Darlegungs- und Beweislast erreicht sind, wenn einem mutmaßlichen Rechtsverletzer die
Offenlegung bestimmter Informationen oder Unterlagen wann zugemutet werden kann? Hat es nicht auch was
mit Treu und Glauben zu tun?[/quoteem]
Natürlich kann man - aus unserer Sicht - jetzt sagen, was zurzeit in puncto Filesharing-Klagefällen in "Old Germany"
passiert, ist rechtsstaatlich grenzwertig. Jetzt sagen die RI: "Dieses ist Murks, es ist aus unserer Sicht gerecht,
da unsere Rechte als Geschädigte gestärkt werden“. Die abgemahnten AI hingegen sagen: „Das ist ungerecht.“
Ich trage einmal mit einem gewissen Abstand vor.
Warum gibt es die sekundäre Darlegungslast?
Fazit Steffen:
Der Abmahner kann nicht Wissen, wer den Rechtsverstoß - letztendlich - getätigt hat, das liegt im Verantwortungs-
bereich des Abgemahnten. Hierzu muss er sich substantiiert äußern. Die Große Frage: In wie weit!? Dass wiederum
liegt im Ermessen des Gerichts und der Glaubhaftigkeit des Geschehenablaufes durch den Beklagten.
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 - IX ZR 276/02
Muss eine Partei Umstände darlegen und beweisen, die zu dem ihrem Einblick entzogenen Bereich des Prozess-
gegners gehören, ist zu prüfen, ob es dem Prozessgegner im Rahmen seiner Erklärungslast nach § 138 Abs. 2
ZPO zuzumuten ist, dieser Partei eine prozessordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die zu ihrem
Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen. Kennt der Prozessgegner alle wesentlichen
Tatsachen und ist es ihm zumutbar, nähere Angaben zu machen, kann von ihm ein substantiiertes Bestreiten
verlangt werden. Kommt er dieser sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt der sonst als nicht hinreichend
substantiiert anzusehende Vortrag des Prozessgegners als zugestanden.
BGH, Urteil vom 03.02.1999 - VIII ZR 14/98 (Anwaltskanzlei)
Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substantiiert der dar-
legungspflichtige Gegner - hier die Klägerin - vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachen-
behauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht
darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von
Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem
Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine darüber hinausgehende
Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige
Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher
kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind.
Ist es eine - nur - für RI erfundene Beweisumkehr?
Definitiv - Nein!
BGH, Urteil v. 11.06.1990 - II ZR 159/89 (Hamburg)
Es liegt die Lehre von der allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht zugrunde. In jüngerer Zeit ist sie von
Stürner (Die Aufklärungspflicht der Parteien im Zivilprozeß, 1976) umfassend erörtert worden. Er geht davon aus,
dass durch Art. 2 GG und das Rechtsstaatsprinzip ein auf Wahrheitsfindung angelegtes Rechtsschutzverfahren
verfassungsrechtlich gewährleistet sei. Zweck des Zivilprozesses sei dementsprechend der Individualschutz durch
Findung der materiellen Wahrheit. Diese sei ohne umfassende Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei
nicht möglich. In Fällen, in denen die darlegungs- und beweispflichtige Partei sich in typischer Unkenntnis der
ihrer Substantiierungspflicht unterliegenden Tatsachen befinde, sollten Anhaltspunkte als plausible Vermutungsbasis
für die allgemeine Rechtsbehauptung genügen. Die nicht beweispflichtige Partei sei dann gehalten, alle denkbaren
und zumutbaren Aufklärungsbeiträge zu leisten. Im Regelfall führe eine vorwerfbare Verletzung der allgemeinen
prozessualen Aufklärungspflicht dazu, dass das der beweispflichtigen Partei günstige Aufklärungsergebnis zu
unterstellen sei. Die Lehre von der allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht hat sich nicht durchsetzen können.
Dass im Zivilprozess die Wahrheitspflicht wesentliche Bedeutung hat, erlaubt nicht den Schluss, die Parteien seien
generell zu dem Verhalten verpflichtet, das am besten der Wahrheitsfindung dient.
Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindern den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess
der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachen-
behauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Darauf beruht auch die Regelung der Behauptungs- und
Beweislast im Zivilprozess. Ob eine Partei Ansprüche gegen die andere auf Erteilung von Auskünften, Rechnungslegung,
Herausgabe von Unterlagen usw. hat, ist eine Frage des materiellen Rechts. Dieses enthält darüber eine Reihe
ausdrücklicher Vorschriften; zudem kann je nach dem Inhalt des Rechtsverhältnisses und der Interessenlage der
Gesichtspunkt von Treu und Glauben solche Pflichten rechtfertigen.
Eine allgemeine Auskunftspflicht kennt das materielle Recht jedoch nicht, und es ist nicht Aufgabe des Prozessrechts,
sie einzuführen. Es bleibt vielmehr bei dem Grundsatz, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner für seinen
Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt.
In bestimmten Fällen erlegt die Rechtsprechung dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei
allerdings eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast auf, nämlich vor allem dann, wenn eine darlegungspflichtige
Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden
Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (vgl. BGH, NJW 1987,
1201 + 2008.).
Fazit Steffen
Es dreht sich immer wieder um die Thematik: Substantiierung - ja, einfaches Bestreiten - nein! Und dieses gibt es
schon weit vor dem Abmahnwahn.
BGH Urteil vom 13.03.1996 - Az. VIII ZR 36/95
Für die Frage der Darlegungslast ist auch ohne Bedeutung, wie wahrscheinlich die Darstellung ist. Ein tatsächliches
Vorbringen ist nur dann nicht beachtlich und beweisbedürftig, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau
bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt
aufgestellten Behauptung gekleidet ist, diese aber auf das Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue" aufgestellt,
also aus der Luft gegriffen ist und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt.
Fazit Steffen
Wenn ich behaupte, dass ein Alien vom Planet Zytaurus-Prime, mittels DSL-Dustrukors-MX16.000, und in seinem UFO, 10 m
über dem Haus schwebend, den Film: "Leck mich überall!" heruntergeladen hat und mein WLAN widerrechtlich benutzte,
sollte es zumindest in den Routerprotokollen ersichtlich sein (bzw. Firewall), oder ich sollte ein Foto gemacht haben
und - von Vorteil - den DSL-Dustrukors-MX16.000 vorlegen. Wenn nicht, sollte ich Minimum einen Zeugen benennen, der auch
dieses vor Gericht bezeugt und nicht sagt: "April, April!".
Wenn ich als Beklagter dazu - nicht - in der Lage bin, kann ich nicht dem System die Schuld geben, sondern muss diese
bei mir suchen.
BGH, Urteil v. 11.06.1990 - II ZR 159/89 (Hamburg)
Dass im Zivilprozess die Wahrheitspflicht wesentliche Bedeutung hat, erlaubt nicht den Schluss, die Parteien seien generell
zu dem Verhalten verpflichtet, das am besten der Wahrheitsfindung dient.
BGH Urteil vom 13.03.1996 - Az. VIII ZR 36/95
Für die Frage der Darlegungslast ist auch ohne Bedeutung, wie wahrscheinlich die Darstellung ist.
Mehr sog i net!
VG Steffen