2017, KW 09

Wochenrückblick für Filesharing-Fälle
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Steffen
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2017, KW 09

#1 Beitrag von Steffen » Samstag 4. März 2017, 09:40

------------------------------------------------------ - Abmahnwahn Deutschland - Filesharing - --------------------------------------------


Der Wochenrückblick........................Bild........................Filesharing Fälle


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Ausgabe 2017, KW 09....................................Initiative AW3P.........................27.02. - 05.03.2017

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AW3P: Herr Rechtsanwalt. Wir Experten und Abgemahnte in den Foren schmieden schon seit Jahren im heißen Feuer der Diskussion feste Argumente gegen die Abmahnung und wie man sich erfolgreich in Klageverfahren wehren könnte. Wie zum Beispiel: in derselben Angelegenheit, Argumente gegen Gutachten, was der BGH zur Täterschaftsvermutung und sekundären Darlegungslast tatsächlich meint zu sagen usw. usf. Warum wenden von uns beauftragte Anwälte unsere siegreichen Argumente nicht in Klageverfahren an. Hat man Angst zu gewinnen? Wie viel Mitspracherecht hat überhaupt ein Mandant in einem Klageverfahren gegenüber seinen Anwalt?



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Doktor Wachs: Die Frage ist ein wenig provokant gegenüber Abgemahnten / Beklagten, aber nun gut.

Vor Jahren war es vielleicht so, dass die Leute in den Foren noch große Pläne schmiedeten, aber die Zeit ist vorbei. Viele Fragen sind geklärt und einige Punkte werden einfach unterschiedlich von den Gerichten beurteilt. Das wird größtenteils akzeptiert. Das hängt auch mit einem Mentalitätswechsel vieler Menschen zusammen. Als die ersten Abmahnungen vor 10 Jahren kamen, hatten viele noch die Hoffnung, dass das nur Ausreißer wären und bald das Filesharing weiter gehen würde, dann wurden die Hoffnungen auf Klageverfahren gestützt, danach auf den BGH. Mittlerweile interessiert die Masse Filesharing nicht mehr, weil für Spiele "Steam", für Musik "Spotify" und "YouTube" und für Filme und Serien "Amazon Prime" und "Netflix" legal genutzt werden. Nur für Erotik wird weiterhin auf fragwürdige Streaming Dienste zurückgegriffen.

Viele aktuelle Gerichtsverfahren betreffen Filesharing Vorwürfe von vor über drei Jahren, die Leute sind da oft einfach müde von dem ganzen Thema- auch weil es eher anachronistisch anmutet. Ich habe oft eher längere Diskussionen über die Art der Rechtsverfolgung mit meinen Mandanten aber weniger über die Aktivlegitimation, letztlich beauftragen mich die Beklagten wegen meiner Kompetenz und erwarten daher - zu recht - deutlich überlegenes Wissen. Das Gleiche gilt für die sekundäre Darlegungslast.

Zuletzt ich finde es auch nicht peinlich oder feige oder was auch immer, sich in Foren ein wenig aufzuplustern und dann bei Gericht sich eher auf seinen Anwalt zu verlassen und kleinere Brötchen zu backen, ich finde das eher erwachsen oder "normal".



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Querbeet



1. Waldorf Frommer (München) veröffentlichen vorab den Volltext zum BGH Entscheid "Afterlife"


BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15: "Afterlife"



Bericht Waldorf Frommer: http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... t-den-umf/

Urteil als PDF: http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 154_15.pdf






Kurzkommentar AW3P:

1. Beweiswürdigung liegt - allein - beim Tatrichter
  • (...) Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für unwahr zu erachten ist. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (...)
2. Einzelfallentscheidung (Ehemann / Mitnutzer Ehefrau)

3. Festhalten an den dogmatischen 2 Säulen: tatsächliche Vermutung / sekundäre Darlegungslast
  • (...) Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2012 - 1 ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 - Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 37 = WRP 2016, 73 - Tauschbörse III; Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 48/15, GRUR 2016, 1280 Rn. 32 = WRP 2017, 79 - Everytime we touch). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (BGHZ 200, 76 Rn. 15 - BearShare; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 - Tauschbörse III).

    Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BC3HZ 200, 76 Rn. 15 ff. - BearShare, mwN; BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 37 und 42 - Tauschbörse III; GRUR 2016, 1280 Rn. 33 - Everytime we touch). Mit diesen Grundsätzen-steht das Berufungsurteil im Einklang. (...)
4. AI = nicht automatisch Täter, nur weil AI + muss Täter nicht selbst ermitteln
  • (...) Für die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis ist im Falle der Urheberrechtsverletzung durch die Nutzung eines Internetanschlusses aber nicht ohne weiteres aufgrund der Inhaberschaft am Anschluss Raum. (...)
5. Ehemann hat seine sekundäre Darlegungslast erfüllt:
a) Ehefrau als Mitnutzer benannt
b) Sicherheitslücken Router benannt
sowie
c) Ehefrau trug vor, dass sich keine Filesharing Software auf den Rechner befände

6. Generelle Einschränkung des Berufungsgericht (Landgericht), dass der AI den Rechner nicht zu durchsuchen hat = zu weitgehend
  • (...) Soweit das Berufungsgericht eine Untersuchung des Computers generell nicht für erforderlich gehalten hat, stellt dies eine zu weitgehende Einschränkung der dem Anschlussinhaber obliegenden Pflichten dar. Im Rahmen des Vortrags zu Umständen, die seine eigene Internetnutzung betreffen, kann der Anschlussinhaber vielmehr auch zu der Angabe verpflichtet sein, ob auf dem von ihm genutzten Computer Filesharing-Software vorhanden ist (vgl. BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 41 f. - Tauschbörse III). (...)

Eigentlich auch nicht so weltbewegend Neues bzw. Revolutionäres. Hier lohnt es auch nicht, seitenlang herumzuspekulieren oder -zutheoretisieren. In der Praxis - nicht in Blogs oder Foren - wird sich dann zeigen, was "Afterlife" wert ist, oder nicht.



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2. Netzpolitik.org: Die unendliche WLAN-Geschichte geht weiter - Netzsperren statt Abmahnindustrie


Gesetzentwurf in der Fassung vom 23.02.2017 im Volltext
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (neues WLAN-Gesetz – 3. TMGÄndG)

  • (...) Neuer Anlauf für eine Reform der WLAN-Störerhaftung: Wir veröffentlichen einen Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums, der eigentlich ein für alle Mal gute Bedingungen für die Anbieter freier Internetzugänge schaffen soll. Doch auch wenn das Abmahnrisiko sinken würde, entstünden durch Netzsperren neue Rechtsunsicherheiten. (...)

Quelle: Netzpolitik.org
Link: https://netzpolitik.org/2017/die-unendl ... industrie/











Gerichtsentscheidungen



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  • AG Koblenz, Urteil vom 22.02.2017, Az. 132 C 1772/16 [Sarwari verliert; Beweismittelverbot (§ 101 IX UrhG)]





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  • LG Stuttgart, Urteil vom 24.02.2017, Az. 24 O 360/16 [.rka-RAe gewinnt; Täterbenennung (mind. Kind), Belehrung, sek. Darlegungslast]
  • AG Stuttgart, Urteil vom 01.02.2017, Az. 7 C 4394/16 [WF gewinnt; sek. Darlegungslast / Single Haushalt]






Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte (Köln)



AG Koblenz, Urteil vom 22.02.2017, Az. 132 C 1772/16


Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte (Köln): Beweisverwertungsverbot bei Auskunft von Deutscher Telekom AG



Quelle: Wilde, Beuger, Solmecke Rechtsanwälte
Link: https://www.wbs-law.de/abmahnung-filesh ... kom-71742/










WALDORF FROMMER Rechtsanwälte (München)



AG Stuttgart, Urteil vom 01.02.2017, Az. 7 C 4394/16


WALDORF FROMMER (München): Amtsgericht Stuttgart - Unsubstantiiertes Bestreiten der Ermittlung sowie ein bloß spekulativer Verweis auf Hacker führen zur Verurteilung in Filesharingverfahren



Quelle: Waldorf Frommer Rechtsanwälte
Link: http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... verfahren/










.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR (Hamburg)



LG Stuttgart, Urteil vom 24.02.2017, Az. 24 O 360/16


.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR (Hamburg): Das Landgericht Stuttgart verurteilt Anschlussinhaber (Eltern) und den als Täter benannten minderjährigen Sohn gesamtschuldnerisch (Mehrfachermittlung: 6 Tage, 16 Logs). Vergleichsversuche wurden Seitens des Prozessbevollmächtigten i.A. der Beklagten mehrfach abgelehnt.



Quelle: Blog AW3P
Link: https://aw3p.de/archive/2382





Kurzkommentar AW3P:

Es ist mir unbegreiflich, wie wir teilweise ignorant und dumm sind.

1. Bei dieser Ausgangsposition und den mehrfachen Versuchen des Abmahners sich außergerichtlich / gerichtlich zu vergleichen - trotzdem ein Klageverfahren durchzuziehen
2. Abgemahnten- / Foren-Irrtum = Mit Benennung des mind. Kind als Täter, damit ist alles erledigt
3. Anwalt der Beklagten = skrupellos!










Forenwelt

Diese Woche wurde am Mittwoch der Fasching zu Grabe getragen und es begann die 40-tägige Fastenzeit. Leider wurden auch die guten Manieren - insbesondere bei Fred-Olaf Neißes "Werbe-IGGDAW" - in den Foren mit zu Grabe getragen. Aber, alles supi, wie der Herr, so's Gescherr!






Super-Foren-Experte Aktuell:



1. BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15: "Afterlife"


Shual-Bentz auf seinem Blögchen am 07.10.2016:
  • "Viel mehr dürften wir durch die Entscheidung einen großen Schritt in die Richtung "Vereinheitlichung der Rechtssprechung" getan haben"

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2. LG Stuttgart, Urteil vom 24.02.2017, Az. 24 0 360/16



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Steffen Heintsch für AW3P



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