Mahnbescheid: "Anspruch hängt von einer Gegenleistung ab"

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Steffen
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Mahnbescheid: "Anspruch hängt von einer Gegenleistung ab"

#1 Beitrag von Steffen » Sonntag 2. Dezember 2012, 15:43

Mahnbescheid: "Anspruch hängt von einer
Gegenleistung ab, diese ist bereits erbracht!"



Immer wieder taucht in den Verbraucherforen die Frage auf:

Was bedeutet der Satz im Mahnbescheid: "Der Antragsteller hat erklärt, dass der Anspruch von einer
Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei."?

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Viel ist hierzu im Internet nicht zu recherchieren und man erhält auch von Juristen die teils nur
lapidare Erklärung, das es sich um eine Standardformulierung handle, ohne die ein Mahnantrag vom
jeweiligen Mahngericht nicht erlassen würde. Vielmals gewinnt man auch ganz ehrlich den Eindruck,
damit hat sich noch niemand eigentlich genauer befasst oder kennt gar eine Antwort.

Der Antragesteller (Abmahner) eines Mahnantrages kann jetzt, entweder die vom Gericht Online zur
Verfügung gestellten Formulare verwenden oder die eigenen via Avery Dennsion Zweckform. In diesen
Formularen "Antrag auf Mahnbescheid" muss jetzt unteranderen angekreuzt werden, das der Anspruch
von einer Gegenleistung abhängt oder eben nicht.

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Was bedeutet nun dieser Satz?

Denn wenn es nicht notwendig wäre, müsste man es doch auch nicht unterschiedlich Ankreuzen. Das
gerichtliche Mahnverfahren (§§ 688-703d ZPO) dient der schnellen und kostengünstigen Durchsetzung
von Zahlungsansprüchen. Für den Erlass eines Mahnbescheides, muss zunächst ein Mahnantrag gestellt
werden. Gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO muss der Mahnantrag u.a. die wahrheitsgemäße Erklärung enthalten,
"dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung bereits erbracht
worden ist".
Damit werden Ansprüche ausgeschlossen, die nur Zug-um-Zug zu erfüllen sind und bei denen der Antrags-
steller seine Leistung selbst noch nicht erbracht hat. Denn in Fällen, in denen Leistung und Gegen-
leistung im Abhängigkeitsverhältnis stehen, kann der Antragsgegner dem Antragssteller die Einrede des
nichterfüllten Vertrags entgegenhalten (§ 320 BGB), es sei denn, Letzterer hat seine Leistung bereits
erbracht.


Am Beispiel (nicht mit Filesharing vergleichbar) BGH, Urteil vom 21.12.2011,
Az. VIII ZR 157/11:


[...] c) Das Berufungsgericht hat sich dem unter Zugrundelegung der rechtsfehlerfreien Feststellung
angeschlossen, die Klägerin habe bewusst wahrheitswidrig erklärt, dass die Gegenleistung bereits erbracht
sei, um sich dadurch schnell einen Titel zu verschaffen, ohne die Klage sofort begründen zu müssen. Die
getroffene Wertung, die Klägerin nutze ihre durch diese Täuschungshandlung erschlichene formale Rechts-
position treuwidrig aus, wenn sie sich auf diese verjährungshemmende Wirkung des zugestellten Mahnbescheids
berufe, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. [...]

In dieser Entscheidung ging es um einen Kaufvertrag zwischen Händler und Verbraucher über den Kauf von
Möbelstücken. Bei einem solchen Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB müssen Leistung (= Zahlung der Kaufsache) und
Gegenleistung (= Übergabe der Kaufsache) Zug-um-Zug erfüllt werden. Vorliegend hatte der Käufer die Möbel
weder bezahlt noch abgeholt. Der Händler beantragte daraufhin einen Mahnbescheid und erklärte in diesem,
" [...] dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei." In dem Fall war die
Aussage jedoch falsch, da der Anspruch auf Zahlung der Kaufsache erst Zug-um-Zug mit Übergabe der Möbel
besteht. Insofern hängt der Anspruch sehr wohl von einer Gegenleistung ab und diese Gegenleistung, also
die Übergabe der Möbel, wurde auch noch nicht erbracht. Bei wahrheitsgemäßen Angaben hätte der Mahnantrag
daher vom Mahngericht als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.



Was gilt bei Filesharing. Was ist richtig (oder gar falsch)?

Bei Filesharing-Fälle hängt der Anspruch des Antragsstellers gerade nicht von einer Gegenleistung, die er
als Rechteinhaber gegenüber dem Antragsgegner zu erbringen hätte, ab. Daher wäre die Erklärung, dass der
"Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt", korrekt und nicht die Formulierung "Der Antragsteller
hat erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei". Der Mahnbescheid
bezieht sich regelmäßig auf Rechtsanwaltskosten, die im Rahmen der zuvor ergangenen Unterlassungsverfügung/
Abmahnung angefallen sind. Der Anspruch ist der in § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG gewährte Aufwendungsersatz auf
Erstattung der Kosten für eine berechtigte Abmahnung; es handelt sich insofern also um eine gesetzliche,
verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlage. Dieser Anspruch hängt nicht von einer Gegenleistung des Antrag-
stellers ab.

Wenn nun jedoch in einem Mahnbescheid die Angabe gemacht wurde, dass der Anspruch von einer Gegenleistung
abhängt und diese erbracht wurde, ist dies zwar einerseits unzutreffend andererseits allerdings für das
Mahngericht aufgrund seiner mangelnden Sachverhaltskenntnis auch gar nicht überprüfbar. Das Mahngericht
wird daher einen Vollstreckungsbescheid erlassen, sofern der Antragsgegner nicht frist- und formgemäß
(§ 694 ZPO) Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegt, so dass ein streitiges Verfahren eingeleitet werden
muss, § 696 Abs. 1 ZPO. Aus dem Vollstreckungsbescheid kann dann unmittelbar die Zwangsvollstreckung wegen
der Geldforderung betrieben werden, § 699 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Grundsätzlich gilt jedoch, dass in der Praxis
die formellen Anforderungen an einen Mahnbescheid recht großzügig gehandhabt werden.



Aber Vorsicht!

Nur weil jetzt Mahngericht und Antragsteller rechtlich überfordert sind, sollte der Antragsgegner (Abgemahnte)
allein aufgrund der unzutreffenden Formulierung "Der Antragsteller hat erklärt, dass der Anspruch von einer
Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei" anstatt der im Ergebnis gleichbedeutenden Formulierung "Der
Anspruch hängt nicht von einer Gegenleistung ab" keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegen. Im Falle
des Widerspruchs würde das Gericht der Hauptsache über den materiellen Anspruch entscheiden und dem Gläubiger
im Falle einer gerechtfertigten Abmahnung Recht geben, ohne dass der möglicherweise formell unrichtige Mahn-
bescheid Einfluss darauf hat.



Zitat Rechtsanwalt Florian Burgsmüller:

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Kanzlei Dr. Schmel & Partner GbR
Bremerhaven Grashoffstr. 7 / Konrad-Adenauer-Platz
27570 Bremerhaven
Fon 0471 / 94 61 0
Fax 0471 / 94 61 190
Web: www.drschmel.de

Leistung hängt von Gegenleistung ab, diese ist erbracht:

[...] Anwendbarkeit auf Abmahnungen: Nein. Man könnte zwar zynisch sein und anmerken, die Abmahnung sei auch eine
Leistung - der Abgemahnte wird schließlich außergerichtlich auf ein Fehlverhalten hingewiesen - würde aber beim
Schadenersatz Probleme bekommen, da dieser eben gerade nicht von einer Gegenleistung abhängt. [...]


Leistung hängt nicht von einer Gegenleistung ab:

[...] Anwendbarkeit auf Abmahnungen: Ja. Letzten Endes muss man sich im klaren sein, dass auch wenn die Abmahnkosten
gemäß § 97a Abs.1 UrhG gefordert werden können es sich um einen klassischen Fall von Schadenersatz handelt - der
Schaden des Abmahnenden besteht dabei aus den Rechtsanwaltskosten, sowie den geltend gemachten Lizenzgebühren
(bei einem Verkehrsunfall ist das ähnlich dort gibt es den Schaden am Fahrzeug, ggf. noch Schmerzensgeld und den
Schaden in Form der Rechtsanwaltskosten). Insofern ist dieses Kreuz das Richtige. [...]


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SH für AW3P
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