Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10101 Beitrag von Steffen » Samstag 27. Juni 2015, 15:50

Amtsgericht Würzburg weist Klage von "BaumgartenBrandt"
trotz Mahnbescheid wegen Verjährung ab



15:49 Uhr



Mit Urteil vom 29. Mai 2015 hat das Amtsgericht Würzburg eine gegen unseren Mandanten gerichtete Klage wegen Verjährung abgewiesen (Az. 34 C 2043/14).


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Rechtsanwältin Hasibah Mahnaz Tahiry


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60311 Frankfurt/Main
Telefon: 069 / 2400732-0
Telefax: 069 / 2400732-29
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Web: www.lex.tm

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Mit der Klage wurden Ansprüche auf Kostenerstattung und Schadensersatz wegen der angeblich im Jahr 2009 erfolgten Verbreitung des Films "Niko - Ein Rentier hebt ab" geltend gemacht. Der Klage war im Jahr 2010 eine Abmahnserie gegen angebliche Rechtsverletzer vorausgegangen, in der Unterlassungsansprüche, Abmahnkosten sowie Schadenersatzansprüche wegen ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte der "Europool Europäische Medienbeteiligungs-GmbH" an dem oben genannten Filmwerk geltend gemacht wurden.

Obwohl unser Mandant keine Abmahnung wegen der vermeintlichen Rechtsverletzung erhielt, wurde ihm im Jahre 2014 ein gerichtlicher Mahnbescheid zugestellt; erst durch diesen Mahnbescheid erlangte unser Mandant Kenntnis über die gegen ihn erhobenen Ansprüche. Nachdem wir gegen den Mahnbescheid Widerspruch eingelegt hatten, wurde die Klage im Februar 2015, also fast fünf Jahre nach der behaupteten Rechtsverletzung, begründet.

Wir verteidigten uns u.a. durch die Einrede der Verjährung, wobei wir zur Begründung anführten, dass die Ansprüche in dem Mahnbescheid nicht ausreichend deutlich umschrieben waren, weshalb sich der Mahnbescheid nicht zur Hemmung der Verjährung eignete. Dieser Auffassung ist das Amtsgericht Würzburg gefolgt.

Das Amtsgericht Würzburg ging sowohl hinsichtlich der Abmahnkosten als auch des Schadensersatzanspruches von der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren aus. Die Verjährung begann wegen der mangelnden Verjährungshemmung durch den Mahnbescheid bereits im Jahre 2010 zu laufen, so dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG im Jahre 2013 verjährt war. Zu einer Verjährungshemmung führt ein Mahnbescheid grundsätzlich nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert ist. Unserer Mandantschaft war es anhand des Mahnbescheids jedoch nicht möglich festzustellen, welche Forderungen ihm gegenüber geltend gemacht wurden. Eine hinreichende Individualisierung hätte nur dann erfolgen können, wenn unserem Mandanten ein Abmahnschreiben zugegangen wäre. Für den Zugang des Abmahnschreibens lag die Beweislast bei der Klägerseite, was diese in dem Verfahren nicht beweisen konnte.

Obwohl die Kanzlei "BaumgartenBrandt" anführte, dass für die abmahnrechtlichen Schadensersatzansprüche die 10-jährige Verjährungsfrist nach § 102 S. 2 UrhG in Verbindung mit § 852 BGB greife, vermochte dies das Gericht nicht zu überzeugen. Es wurde festgestellt, dass die Verjährungsfrist nach § 852 BGB nur für Herausgabeansprüche aufgrund einer ungerechtfertigten Bereicherung besteht, was im vorliegenden Fall nicht gegeben sei.

In vielen Verfahren der Kanzlei "BaumgartenBrandt" werden vermeintliche Forderungen geltend gemacht, die viele Jahre zurückliegen. Es lohnt sich, bei den Mahnbescheiden und Klagen genau hinzusehen: Wie der vorliegende Fall belegt, können auch kleine formale Fehler zum Erfolg im Filesharing-Prozess führen.



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Quelle: http://www.anwalt.de

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AG Würzburg, Urteil vom 29.05.2015, Az. 34 C 2043/14

Kohlenpitt

Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10102 Beitrag von Kohlenpitt » Sonntag 28. Juni 2015, 07:45

Bild.de .....

Der Bericht stammt von Bild.de ... Sollte man ja erwähnen, damit man am schluss nicht abgemahnt wird 1-3-4-s

Kollegen ,

Das schlägt mir wieder gewaltig auf den Magen.
Mann muss neue Ideen schaffen .
Panoramafreiheit !!!!!!

http://www.bild.de/politik/ausland/euro ... .bild.html

Und das sieht harte Strafen vor. So kann bei Verstößen neben einer Geld- auch eine Haftstrafe verhängt werden.
Damit wird man zum Schwerverbrecher ....
Und dieser Satz ´.....Und das sieht harte Strafen vor. So kann bei Verstößen neben einer Geld- auch eine Haftstrafe verhängt werden. 1-3-4-s jkj:s_;

Verbrecher und Totschläger lässt man laufen und die Ahnungslosen steckt man in das Gefängnis .
Respekt! Aber Bild hat es ja geschrieben!

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10103 Beitrag von Steffen » Sonntag 28. Juni 2015, 12:24

Amtsgericht Leipzig:
"Brutale" Klageabweisung aufgrund Verjährung
aller Ansprüche trotz Mahnbescheid




12:25 Uhr



Wie die Hamburger Kanzlei ...


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Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs

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... informiert, wurde mit dem Urteil des Amtsgericht (AG) Leipzig (Urt. v. 03.06.2015, Az. 102 C 5914/14) eine unbegründete Filesharing Klage der "KSM GmbH", vertreten durch die Berliner Kanzlei "BaumgartenBrandt", erfolgreich abgewiesen da der geltend gemachte Anspruch gemäß § 195 BGB verjährt ist. Dabei verneint das Amtsgericht Leipzig die Anwendung der 10-jährigen Verjährungsfrist (§ 102 Satz 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB) auf Filesharing Fälle.



Abmahnfall

Der Beklagte wurde wegen einer vermeintlichen Verwertung des Films "Brutal" (Log: 04/2010; Providerauskunft: 06/2010) 09/2010 abgemahnt. Nach dem die Zahlung verweigert wurde beantragte die Klägerin 12/2013 einen Mahnbescheid, dieser wurde dem Beklagten am 03.01.2014 zugestellt. Die Klägerin wurde nach Einlegen eines Widerspruchs am 10.01.2014 zur Einzahlung der Gerichtskosten für das streitige Verfahren aufgefordert. Der Kosteneingang bei der Gerichtskasse war am 17.07.2014.



Antrag
  • (...) Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. (...)


Urteil
  • (...) hat das Amtsgericht Leipzig durch den Richter am Amtsgericht "xxx" aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.04.2015 am 03.06.2015 für Recht erkannt:
    • 1. Die Klage wird abgewiesen.
      2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
      3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Beschluss:

    Der Streitwert wird auf 955,60 EUR festgesetzt. (...)


Entscheidungsgründe
  • (...) Die zulässige Klage ist unbegründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist verjährt gemäß § 195 BGB. (...)
  • (...) Vorliegend greift zusätzlich die Regelung des § 199 Abs. 1 BGB. Hiernach beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat. Beide Ereignisse fallen in das Jahr 2010, da auch die Klägerin in diesem Jahr von der Person des Beklagten durch das Schreiben der Telekom (Anlage K4) Kenntnis erlangt hat. Der Eintritt der Verjährung war somit am 31.12.2013 (...)

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Hinweis AW3P: "Alsbald" ist wie "demnächst" / Frist = 1 Monat

BGH, Beschluss vom 28.02.2008, III ZB 76/07; "OLG Karlsruhe":
  • (...) "Alsbald" ist wie "demnächst" in § 167 (und in § 693 Abs. 2 a. F.) ZPO zu definieren (BGHZ 103, 21, 28; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 696 Rn. 6; jew. m. w. N.). Beide Begriffe sind nicht rein zeitlich zu verstehen; ihr Inhalt wird in erster Linie durch den Zweck der genannten Rückwirkungsvorschriften bestimmt. Durch diese Regelungen soll die Partei vor einer von ihr nicht zu vertretenden verzögerlichen Sachbehandlung geschützt werden. Zuzurechnen sind dem Kläger alle Verzögerungen, die er oder sein Prozessbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Allerdings sind auch von der Partei zu vertretende geringfügige Verzögerungen bis zu 14 Tagen regelmäßig unschädlich. Dies gilt grundsätzlich auch im Mahnverfahren. Der Antragsteller ist gehalten, nach Mitteilung des Widerspruchs ohne schuldhafte Verzögerung die Abgabe an das Streitgericht zu veranlassen. In der Regel ist von ihm binnen eines Zeitraums von zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung des Widerspruchs zu erwarten, dass er die restlichen Gerichtsgebühren einzahlt und den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens stellt. (...)
    (...) Zwar wird die für die Beurteilung der rechtzeitigen Zustellung des Mahnbescheides ausreichende Frist an die Monatsfrist des § 691 Abs. 2 ZPO angeglichen. Damit soll etwa im Falle der Mangelhaftigkeit des Mahnantrags vermieden werden, dass der Antragsteller von der Berichtigung absieht und Klage erhebt, wenn er durch die Behebung des Mangels Gefahr läuft, dass der berichtigte Mahnbescheid nicht innerhalb von zwei Wochen zugestellt wird. (...)
Rückwirkung der Verjährungshemmung durch einen Mahnbescheid.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.10.2008, Az. 5 UF 63/08:
  • (...) Die Rückwirkung der Verjährungshemmung nach § 167 ZPO wird nach den üblichen Grundsätzen anerkannter Rechtsprechung nur dann zugebilligt, wenn zwischen dem Eingang und der Zustellung nicht mehr als 14 Tage verstrichen sind. Bei dem Mahnbescheidsverfahren ist jedoch wegen § 691 Abs. 2 ZPO analog die 14 Tage-Regel des § 167 ZPO nicht maßgebend. Denn sonst würde der Antragsteller bei Zurückweisung des Mahnantrags binnen eines Monats mit Rückwirkung auf den verjährungshemmenden Eingang des unzulässigen Mahnbescheids Klage erheben können, während bei einer Verbesserung des Mahnbescheids nach Beanstandung eine demnächst erfolgte Zustellung nach § 167 ZPO nicht mehr in Betracht käme. Es muss daher richtigerweise entsprechend genügen, dass zwischen der Zustellung der Zwischenverfügung und dem Eingang des verbesserten Antrags bei Gericht ein Zeitraum von einem Monat liegt (Zöller/Vollkommer ZPO, 26. Auflage, § 691 Randnummer 4 mit vielen Hinweisen). (...)
-------------------------------------

  • (...) Der Eintritt der Verjährung war somit am 31.12.2013, so dass der erst im Januar 2014 zugestellte Mahnbescheid die Verjährung der Forderung noch hemmen konnte, da der Mahnbescheid noch 2013 beantragt und alsbald zugestellt wurde.

    Die Hemmung endet sodann 6 Monate nach der letzten verfahrensfördernden Handlung des Gerichtes oder der Parteien gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB. Dies war vorliegend die Aufforderung des Mahngerichtes zur Einzahlung der Gerichtskosten für das streitige Verfahren am 10,.01.2014. Die Hemmung endet somit am 10.07.2014, so dass eine verbleibende Restlaufzeit der Verjährung an diesem Tag erneut beginnen würde. Dies kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, da eine verbliebende Restlaufzeit der Verjährung nicht besteht. (...)

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Hinweis AW3P: Verjährung und Hemmung durch einen Mahnbescheid (AG Leipzig - Az. 102 C 5886/14 und Az. 102 C 6914/14)
  • 1) Maßgeblich §§ 199, 195 BGB (3 Jahre)
    • I. Anspruch entstanden ist
      • - Log: 'Datum xx.xx.xxxx'
      und (nicht oder / bzw.)
      II. RI von der Person (Name + Anschrift) hinter der IP Kenntnis erlangt
      • - Providerauskunft: 'Datum xx.xx.xxxx',
        Berechnung:
        • a) wenn beide Ereignisse in einem Jahr fallen = '31.12.; 24:00' Uhr des Jahres zu I. + zu II.
          b) wenn beide Ereignisse nicht in ein Jahr fallen, zählt - nur - das Jahr der Providerauskunft = '31.12.; 24:00 Uhr' Jahr zu II.
    2) Hemmung durch einen Mahnbescheid
    • - Zeitpunkt: (Wirksame; vgl. § 180 ZPO) Zustellung Mahnbescheid (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB); Frist = 1 Monat (alsbald / demnächst)
      Das heißt aber, (in der Regel),
      - es bleibt eine Restlaufzeit der Verjährung von 'xx' Tagen (Zustellung Mahnbescheid bis '31.12.; 24:00 Uhr'; siehe Punkt zu 1))
    3) Dauer der Hemmung
    • - Zeitraum von 6 Monaten, solange - keine - weiteren verfahrensfördernde Handlungen des Gerichts oder der Partei vorgenommen werden (vgl. § 204 Abs. 2 BGB).
      • Berechnung:
        • - Letzte verfahrensfördernde Handlung durch das Gericht / Partei + 6 Monate + 'xx' Tage Restlaufzeit der Verjährung = 'Datum Verjährungsfrist bei Hemmung durch MB xx.xx.xxxx; 24:00 Uhr'
    4) Eintritt Verjährung
    • 1 Tag später; 00:00 Uhr
    5) Beachte:
    • Für eine genaue Klärung im konkreten Einzelfall - muss - ein Anwalt beauftragt werden!
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Es gilt auch nicht die 10-jährige Verjährungsregelung!
  • (...) Maßgeblich ist die 3-jährige Regelungsverjährungsfrist des § 195 BGB, die Ende 2013 ablief. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren sind die Bestimmungen der §§ 102 UrhG i.V.m. § 852 BGB nicht anzuwenden. Zur Frage, wann Ansprüche auf Ersatz des Lizenzschadens in Filesharingverfahren verjähren, existiert bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hat sich zur Frage der Verjährung von Lizenzansprüchen im Rahmen der Entscheidung "Bochumer Weihnachtsmarkt" auseinandergesetzt und insoweit ausgeführt, dass Ansprüche einer Verwertungsgesellschaft auf Ersatz einer angemessenen Lizenzgebühr in 10 Jahren verjähren. Der vom Bundesgerichtshof zu entscheidende Sachverhalt "Bochumer Weihnachtsmarkt" behandelt jedoch eine grundlegende andere Fallkonstellation, so dass die in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auf Filesharing nicht übertragbar sind. (...)


Fazit AW3P

Glückwunsch an den Beklagten und seinem Anwalt, Herrn Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs.


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Natürlich ist die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes - Urt. v. 15.01.2015, AZ I ZR 148/13: "Motorradteile" - zumindest in aller Munde.


BGH, Urt. v. 15.01.2015, AZ I ZR 148/13: "Motorradteile"
  • (...) Der Beklagte hat durch die - zu unterstellende - Verletzung des Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Fotografien und des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft an den Fotografien auf Kosten des Rechtsinhabers etwas im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG erlangt. Er hat durch das Einstellen der Fotografien auf seiner Internetseite in den Zuweisungsgehalt des dem Bruder des Klägers zustehenden Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Fotografien und auf Anerkennung seiner Urheberschaft an den Fotografien eingegriffen und sich damit auf dessen Kosten den Gebrauch dieses Rechts ohne rechtlichen Grund verschafft. Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines Immaterialgüterrechts besteht in der angemessenen Lizenzgebühr. Wer durch die Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts etwas erlangt hat, kann sich im Regelfall auch nicht mit Erfolg nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, da das Erlangte - also der Gebrauch des Schutzgegenstands - nicht mehr entfallen kann. (...)
  • (...) Da bei einer rechtsverletzenden Dauerhandlung die Fortdauer der schädigenden Handlung fortlaufend neue Schäden und damit neue Ersatzansprüche erzeugt, ist die Dauerhandlung zur Bestimmung des Beginns der Verjährung gedanklich in Einzelhandlungen (also in Tage) aufzuspalten, für die jeweils eine gesonderte Verjährungsfrist läuft. (...)

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Hinweis AW3P: Begriffsbestimmung "Dauerhandlung"
  • (...) Bei einer Dauerhandlung geht von dem Verletzer eine fortwährende, pflichtwidrig aufrechterhaltene Störung aus. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt erst mit Beendigung des Eingriffs. Eine sinnvolle Unterscheidung zwischen dem Begriff der Einzelhandlung und jenem der Dauerhandlung muss daran anknüpfen, ob es der Verletzer in der Hand hat, den Störungsgegenstand zu beseitigen (vgl. OLG Köln - Az. 6 U 232/06) (...)
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Viele Anwälte, die ansonsten sich mit ihren Meldungen und Standpunkten auf den diversen Blogs überschlagen, sind recht einsilbig zum BGH-Entscheid: "Motorradteile". Man wird sehen, ob zukünftig die Gerichte die Anwendung der 10-jäjrigen Verjährungsfrist weiterhin verneinen. Letztendlich geht es aber nur um die Verjährungsfrist beim (Rest-) Schadensersatzanspruch, denn die Täterschaft ist damit noch lange nicht entschieden und bedarf richterliche Klärung.



Folgende Gerichte entschieden, dass für Filesharingfälle die Anwendung des § 102 Satz 2 UrhG (10-jährige Verjährung) sowie der BGH-Entscheid: "Bochumer Weihnachtsmarkt" (Urteil vom 27. 10. 2011 - I ZR 175/10) keine Anwendung finden:

Amtsgericht:
  • AG Bielefeld (Urteil vom 06.03.2014 - Az. 42 C 368/13)
  • AG Düsseldorf (Urteil vom 24.07.2014 - Az. 57 C 15659/13)
  • AG Kassel (Urteil vom 24.07.2014 - Az. 410 C 625/14)
  • AG Frankfurt a.M. (Urt. v. 30.10.2014 - Az. 32 C 2305/14 (84)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 20.11.2014 - Az. 42 C 483/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 08.01.2015 - Az.42 C 481/14)
  • AG Hannover (Urteil vom 09.01.2015 - Az. 424 C 7759/14)
  • AG Düsseldorf (Urteil vom 13.01.2015 - Az. 57 C 7592/14
  • AG Frankenthal (Urteil vom 14.01.2015 - Az. 3c C 96/14)
  • AG Koblenz (Urteil vom 21.01.2015 - Az. 142 C 486/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 22.01.2015 - Az. 42 C 230/14)
  • AG Frankenthal (Urteil vom 02.02.2015 - Az. 3b C 169/14)
  • AG Braunschweig (Urteil vom 03.02.2015 - Az. 118 C 2178/14)
  • AG Nürtingen (Urteil vom 06.02.2015 - Az. 17 C 1378/14),
  • AG Charlottenburg (Urteil vom 18.02.2015 - Az. 213 C 118/14)
  • AG Köln (Urteil vom 19.02.2015 - Az. 148 C 31/14)
  • AG Bochum (Urteil vom 25.02.2015 - Az. 38 C 362/14)
  • AG Hannover (Urteil vom 06.03.2015 - Az. 524 C 8598/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 02.04.2015 - Az. 42 C 552/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 02.04.2015 - Az. 42 C 544/14)
  • AG Köln (Urteil vom 13.04.2015 - Az. 125 C 579/14)
  • AG München (Urteil vom 17.04.2015 - Az. 243 C 19271/14)
  • AG Koblenz (Urteil vom 24.04.2015 - Az. 411 C 2211/14)
  • AG Frankfurt-Höchst (Urteil vom 06.05.2015 - Az. 386 C 1813/14 (80))
  • AG Braunschweig (Urteil vom 06.05.2015 - Az. 113 C 2498/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 07.05.2015 - Az. 42 C 656/14)
  • AG Leipzig (Urteil vom 20.05.2015 - Az. 102 C 5886/14)
  • AG Nürnberg (Urteil vom 28.05.2015 - Az. 27 C 421/15)
  • AG Frankfurt a.M. (Urteil vom 28.05.2015 - Az. 32 C 3167/14 (84))
  • AG Würzburg (Urteil vom 29.05.2015 - Az. 34 C 2043/14)
  • AG Leipzig (Urteil vom 03.06.2015, Az. 102 C 6914/14)

................


Landgericht:
  • LG Bielefeld (Beschluss vom 06.02.2015 - Az. 20 S 65/14)
  • LG Frankenthal (Beschluss vom 17.04.2015 - Az. 6 S 18/15)
    • Berufung wurde zurückgenommen; Urteil und Beschluss rechtskräftig!




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Steffen Heintsch für AW3P

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AG Leipzig, Urteil vom 03.06.2015, Az. 102 C 6914/14

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10104 Beitrag von HarzMan » Sonntag 28. Juni 2015, 15:28

Was mir immer noch nicht klar ist (und dieses Leipziger Urteil beantwortet es auch nicht):

In letzter Zeit wird immer wieder die Wichtigkeit / große Bedeutung der sekundäre Darlegungslast in den Vordergrund gestellt. Wird dazu nicht substanziiert vorgetragen, kommt das schon fast einer Verurteilung nahe, so wie ich es verstehe. Was ist aber, wenn andere Punkte (z.B. Mahnbescheid nicht ausreichend individualisiert = Verjährung wurde nicht gehemmt, bestrittene Aktivlegitimation des Rechteinhabers usw.) in einer Klageerwiderung ausführlich darlegt werden. Ist das weniger "wert"?

"Der Beklagte ist seiner sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, aber trotzdem wird die Klage abgewiesen, weil ...(siehe oben genannte Punkte)" - ist so etwas möglich?

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10105 Beitrag von Steffen » Sonntag 28. Juni 2015, 16:37

Eine Klage ist erfolgreich, wenn
a) zulässig
b) begründet.

Ist die Klage zulässig, aber unbegründet (Verjährung der Ansprüche, fehlende Aktivlegitimation usw.), ist die Klage abzuweisen.

Das bedeutet,
- wird Einrede der Verjährung erhoben, prüft dies das Gericht. Ist die Forderung verjährt, wird die Klage abgewiesen.
- wird die Aktivlegitimation bestritten, prüft dies das Gericht. Hat der Kläger keine Aktivlegitimation, wird die Klage abgewiesen.

Natürlich treten bei dem Sachverhalt z.B. Unzureichende Individualisierung des MB / Aktivlegitimation / Verjährung 3 oder 10 Jahre für den SE immer wieder unterschiedliche Auffassungen von den diversen Gerichten zu Tage. Manche Richter drücken sich dann auch meist umveinen klaren Standpunkt hinsichtlich einer unbegründeten Klage, wenn der sekundären Darlegungslast entsprochen wird.


(...) Der Beklagte ist seiner sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, aber trotzdem wird die Klage abgewiesen, weil (...)

Ich denke so etwas wird wohl nicht in einem Urteil stehen. Wenn die Ansprüche aus der Klage verjährt sind, steht da wohl eher ...

Tenor:
(...) Due Klage ist abzuweisen (...)
Entscheidungsgründe
(...) Die zulässige Klage ist unbegründet.(...)

Im Grundsatz - und nicht nur in letzter Zeit - ist und bleibt die sekundäre Darlegungslast das A und O für einen Beklagten. Denn selbst in der Verjährungsfrage haben sich schon manche geirrt.

VG Steffen

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10106 Beitrag von HarzMan » Sonntag 28. Juni 2015, 17:04

Danke, Steffen, für diese Erläuterung.

Im Laufe der Zeit habe ich mir sehr viele Urteile durchgelesen - und mich mitunter gewundert, wenn z.B. in einer Urteilsbegründung und Klageabweisung AUSSCHLIESSLICH auf z.B. "Mahnbescheid hat nicht gehemmt" oder "fehlende Aktivlegitimation" Bezug genommen wurde, alle anderen Dinge wie sekundäre Darlegungslast oder auch bestrittene AI-Ermittlung (a la Guardaley/Observer) aber quasi nicht berücksichtigt wurden.

Insofern verstehe ich auch Deine Aussage "Natürlich treten bei dem Sachverhalt z.B. Unzureichende Individualisierung des MB / Aktivlegitimation / Verjährung 3 oder 10 Jahre für den SE immer wieder unterschiedliche Auffassungen von den diversen Gerichten zu Tage".

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10107 Beitrag von Steffen » Sonntag 28. Juni 2015, 23:50

BGH, Beschluss vom 20.05.2015 - IV ZR 127/14; OLG Celle


(...) Die darlegungs- und beweisbelastete Partei ist berechtigt, Behauptungen zu Vorgängen, die sich ihrer unmittelbaren Kenntnis entziehen, auch ohne eine dahingehende positive Kenntnis und nur auf eine Vermutung gestützt aufzustellen. Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen Anwendungsfall des vom Berufungsgericht angeführten § 138 Abs. 4 ZPO, weil diese Norm die Erklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei betrifft. In der Sache ist die Annahme einer zulässig aufgestellten Behauptung aber nicht zu beanstanden. (...)

(...) Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei aber nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. (...)

(...) Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab. (...)



Quelle: lexetius.com

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10108 Beitrag von Steffen » Dienstag 30. Juni 2015, 11:48

Nicht vergessen, heute Nacht die Uhren umzustellen!

2015 wieder es erneut eine Schaltsekunde geben - und zwar am 30. Juni. Von 23.59 Uhr und 59 Sekunden bis Mitternacht der koordinierten Weltzeit UTC vergehen dann zwei Sekunden statt nur einer.

Warum?

"Die Erde dreht sich immer langsamer", sagt Vincent Meens von der französischen Weltraumagentur CNES. Die Ursache ist Reibung, die wiederum eine Folge der Gezeiten ist - also auf den Mond zurückgeht. Doch auch große Masseverschiebungen auf der Erde - ausgelöst durch Erdbeben oder Gletscherschmelzen - können die Drehgeschwindigkeit minimal verändern.

Die zusätzliche Sekunde um Mitternacht soll ausgleichen, dass die Erde sich nicht mehr exakt in 24 Stunden einmal um sich selbst dreht. Sie braucht einen klitzekleinen Moment länger.

Die letzten Schaltsekunden hatte es 2005, 2008 und 2012 gegeben. Seit 1972, der Einführung der Schaltsekunden, wurden insgesamt 25 davon eingefügt.


Quelle: Spiegel Online

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10109 Beitrag von Steffen » Dienstag 30. Juni 2015, 12:39

Filesharing: Abmahnerin hat Kosten nach Klagerücknahme zu zahlen –
oder wie reagiert man am Besten auf eine unberechtigte Abmahnung?




12:40 Uhr


Das Amtsgerichts Bielefeld (Beschluss vom 05.06.2015, AZ: 42 C 14/15)hat festgestellt, dass die Klägerin die Kosten zu tragen hat, wenn sie die Klage nach Auskunft des Anschlussinhabers über weitere Internetnutzer zurücknimmt. Das ist eigentlich nichts Besonderes, aber das AG Bielefeld hat sich hier ausführlich mit den Argumenten der Abmahnerin auseinandergesetzt und sich dazu geäußert, wie viel ein Abgemahnter außergerichtlich an Tatsachen angeben muss, nämlich keine.



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Autorinen: Rechtsanwältinnen Carola Sieling und Anne-Kathrin Philipp

Sieling Rechsanwälte
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33100 Paderborn
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10110 Beitrag von Steffen » Mittwoch 1. Juli 2015, 01:03

Amtsgericht Koblenz:
zu den strengen Anforderungen an die Beweismittel des Klägers.
Klageabweisung aufgrund fehlenden Nachweises, dass die dem
Beklagten vorgeworfene Rechteverletzung tatsächlich gegeben
hat.




01:05 Uhr



Die Hamburger Kanzlei ...


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Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs

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... informiert, wurde mit dem Urteil des Amtsgericht (AG) Koblenz (Urt. v. 24.06.2015, Az. 164 C 2751/14) eine unbegründete Filesharingklage der "Hanway Brown Limited" (UK), vertreten durch die Berliner Kanzlei "BaumgartenBrandt", erfolgreich abgewiesen. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass es die dem Beklagten vorgeworfene Rechtsverletzung tatsächlich gegeben hat.



Abmahnfall

Der Beklagte wurde wegen einer vermeintlichen Verwertung des Films "Harry Brown" (Log: 09/2010; Providerauskunft: 12/2010) abgemahnt. Nach dem die Zahlung verweigert wurde reichte die Klägerin vor dem Amtsgericht Koblenz Klage ein.



Antrag
  • (...) Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. (...)
  • (...) Er bestreitet, dass das genannte Filmwerk von seinem Anschluss aus im Internet angeboten worden ist. Außerdem spreche keine Vermutung für seine Täterschaft, da auch seine Frau und seine Tochter Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätten. (...)


Urteil
  • (...) hat das Amtsgericht Koblenz durch den Richter am Amtsgericht "xxx" am 24.06.2015 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.06.2015 für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. (...)
    4. Der Streitwert wird auf 955,60 EUR festgesetzt. (...)


Entscheidungsgründe
  • (...) Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. (...)
  • (...) Der Beklagte haftet nicht als Täter oder Störer für eine Urheberrechtsverletzung. Er schuldet daher weder Schadensersatz noch den Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten. Denn die Klägerin hat nicht nachweisen können, dass es die dem Beklagten vorgeworfene Rechteverletzung tatsächlich gegeben hat. (...)


Hinweis:
Im Weiteren gehe ich - nur - auf die Entscheidungsgründe und Anforderungen an die Beweislast durch die Klägerin ein. Die Entscheidung des Amtsgericht Koblenz ist aber insgesamt lesenswert.



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AG Koblenz, Urteil vom 24.06.2015, Az. 164 C 2751/14
Urteil im Volltext als PDF-Download (4,2 MB)

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Anforderungen an die Beweislast durch die Klägerin
  • (...) Es geht (zunächst) um die Frage, ob im Herrschaftsbereich des Beklagten - nämlich von seinem Telefonanschluss aus - überhaupt ein Schaden verursacht wurde. Insoweit befindet sich die Klägerin gerade nicht deswegen in Beweisnot, weil sie keinen Einblick in den Herrschaftsbereich des Beklagten hat.

  • (...) Sie behauptet ja, die Rechteverletzung außerhalb dieses Herrschaftsbereiches festgestellt zuhaben. An Beweismitteln (nämlich Zeugen, die den Inhalt der Datenübermittlung bezeugen können, und Sachverständigen, die die Zuverlässigkeit und Bedeutung der ermittelten Daten darstellen können) mangelt es nicht. Einer sekundären Darlegungslast samt Nachforschungspflicht bedarf es daher nicht, solange es um die Frage geht, ob von dem Anschluss des Beklagten aus eine Rechteverletz7ung ausging. Das ist erst der Fall, wenn sich der Beklagte darauf beruft, für die von seinem Anschluss ausgehende Verletzung sei nicht er, sondern ein Dritter verantwortlich. (...)
  • (...) Die Argumentation der Klägerin läuft letztlich auf eine vollständige Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast hinaus, sobald die Klägerin behauptet, in einer für den Beklagten und das Gericht - die beide keinen Einblick in die Funktionsweise der von der Klägerin behaupteten Datenermittlung haben - nicht nachvollziehbaren Art und Weise eine Urheberrechtsverletzung festgestellt zu haben. Damit wird die allgemeine Beweislastverteilung auf den Kopf gestellt, ohne dass dafür eine Notwendigkeit bestünde. (...)


Anforderungen an die Beweiserhebung durch die Klägerin
  • (...) Nach Auffassung des Gerichts hat daher zunächst de Klägerin den vollen Beweis zu erbringen, dass tatsächlich besagter Film vom Anschluss des Beklagten aus zum Download angeboten wurde. Dies verlangt, dass zunächst bewiesen wird, welche Daten genau ermittelt wurden; insoweit ist Zeugenbeweis möglich und von der Klägerin ja zunächst auch angeboten wurden. Dann ist zu beweisen, dass diese durch ein Programm ermittelten Daten bedeuten, dass ein bestimmter Film von einem bestimmten Anschluss aus im Internet zum Download abgeboten wurde. Dazu ist ein Sachverständigengutachten erforderlich, welches zum einen die Funktionsweise des Ermittlungsprogramms überprüft und welches zum anderen darstellt, dass der ermittelte Hashwert den in Rede stehenden Film eindeutig bezeichnet. Eine Zeugenvernehmung hilft insoweit nicht weiter, weil die Interpretation der ermittelten Daten gefragt ist, nicht eine tatsächliche Beobachtung, die durch einen zeigen geschildert werden könnte. Erst wenn die nachgewiesen (oder zugestanden) ist, greift die Vermutung, dass der Anschlussinhaber für die Rechteverletzung verantwortlich ist; erst dann trifft ihn - wenn er seine Verantwortlichkeit bestreitet - die Pflicht aufzuklären, wie es zu der Rechteverletzung kommen konnte. (...)
  • (...) Die Klägerin hat die ihr obliegenden Beweise nicht erbracht. Sie hat ausdrücklich erklärt, nicht dazu bereit zu sein, "faktisch das Kostenrisiko für ein Sachverständigengutachten zu tragen". Die Klägerin stellt letztlich eine weder für das Gericht noch für den Beklagten nachvollziehbare Behauptung auf, weigert sich aber, dies zu belegen. (...)


Fazit

Glückwunsch an dem Beklagten und seinem Anwalt, Herrn Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs. Interessant auch, dass die Gerichte jetzt wahrscheinlich genauer bei der Beweislast hinschauen und dem Kläger nicht alles abnehmen.


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Steffen Heintsch für AW3P

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AG Koblenz, Urteil vom 24.06.2015, Az. 164 C 2751/14

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10111 Beitrag von Steffen » Donnerstag 2. Juli 2015, 00:05

WALDORF FROMMER:
Filesharing-Verfahren vor dem Landgericht Bochum -
Kammer bestätigt Darlegungslast auch bei zwei
Anschlussinhabern.



00:05 Uhr


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Landgericht Bochum, Urteil vom 27.11.2014, Az. I-8 S 9/14
Vorinstanz: Amtsgericht Bochum, Urteil vom 16.04.2014, Az. 67 C 4/14
Urteil als PDF-Download: news.waldorf-frommer.de

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In einem Berufungsverfahren hat das Landgericht Bochum der in erster Instanz abgewiesenen Klage eines Rechteinhabers überwiegend stattgegeben und beide Anschlussinhaber zur Zahlung von Schadensersatz und Erstattung der Rechtsanwaltskosten verurteilt.

Das Amtsgericht hatte es für ausreichend erachtet, dass beide Anschlussinhaber die Rechtsverletzung pauschal abgestritten und lediglich auf häufige Besuche ihres Sohnes sowie auf einen vermeintlichen Missbrauch ihres Internetanschlusses verwiesen hatten.

Das Landgericht hat im Rahmen seiner Berufungsentscheidung zunächst klargestellt, dass auch bei zwei Anschlussinhabern die Täterschaft beider zu vermuten sei. In derartigen Fällen sei von einer Mittäterschaft der gemeinschaftlichen Inhaber des Internetanschlusses auszugehen. Diese Ansicht sei bereits durch die BGH-Entscheidung "Morpheus" (Urteil v. 15.11.2012, I ZR 744/12) bestätigt.
  • "Dass der BGH in der vorzitierten Urteilspassage den Plural nur versehentlich verwandt haben soll, kann nicht angenommen werden, zumal jede andere Auslegung dazu führen würde, die Rechteinhaber in vergleichbaren Fällen faktisch rechtlos zu stellen."
Eine Haftung der Beklagten als Täter sei nur dann ausgeschlossen, wenn sie ihrer sekundären Darlegungslast genügt hätten. Nach Auffassung des Landgerichts konnte der Sachvortrag der Beklagten die Anforderungen der sekundären Darlegungslast nicht erfüllen.

Die Beklagten haben es insbesondere versäumt, konkret zum Nutzungsverhalten ihres Sohnes vorzutragen. Es war weder dargelegt worden, ob dieser den Internetanschluss genutzt hatte, noch zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Gerät dieser Zugriff erfolgt sein solle. Dass sich die Beklagten an die konkreten Umstände nicht mehr erinnern konnten, ginge allein zu ihren Lasten, da ihnen nach Erhalt der Abmahnung eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhaltes möglich war.

Die Beklagten wurden daraufhin zur Zahlung des von der Klägerin beantragten Mindestschadensersatzes für das illegale Angebot eines Filmwerkes in einer Tauschbörse verurteilt.
  • "Eine fiktive Lizenzgebühr für das kostenlose öffentliche Zugänglichmachen und unkontrollierte Weiterverbreiten würde viele Millionen Euro betragen."
Im Rahmen der Berechnung der außergerichtlichen Anwaltskosten hat das Gericht den Streitwert entsprechend den Vorgaben des Oberlandesgerichtes Hamm auf EUR 1.200,- und damit auf die doppelte Lizenzgebühr festgesetzt. Die Kürzung des Streitwertes wird nun Gegenstand der inzwischen anhängigen Revision der Klägerin zum Bundesgerichtshof sein.

Der Bundesgerichtshof wird sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Streitwert eines in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruches anhand einer für die Vergangenheit geschuldeten Lizenzzahlung berechnet werden kann.

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Autorin: Rechtsanwältin Claudia Lucka

WALDORF FROMMER Rechtsanwälte
Beethovenstr. 12
80336 München
Telefon: (089) 52 05 72 10
web@waldorf-frommer.de
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Quelle: www.anwalt24.de

Wolters Kluwer Deutschland GmbH
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Anmerkungen AW3P:

Rechtsanwältin Claudia Lucka hat in ihrem Bericht leider sehr verkürzt die Ausführungen der Bochumer Landesrichter zum Schadensersatz wiedergegeben. Zum besseren Verständnis sollte man schon die kompletten Entscheidungsgründe lesen.



LG Bochum, Urteil vom 27.11.2014, Az. I-8 S 9/14
  • (...) Der Verletzte kann grundsätzlich gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG den entstandenen Schaden im Wege der Lizenzanalogie ersetzt verlangen. Hierfür ist der objektive Wert der angemaßten Benutzerberechtigung zu ermitteln, der in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr besteht (BG, NJW-RR 2009, 1053). (...)

    (...) Jedoch ist in den Fällen des Filesharing das Abstellen auf eine fiktive Lizenzgebühr wenig überzeugend, insbesondere in Fällen wie diesen, in welchen eine marktübliche Lizenz schlicht nicht existiert. Eine fiktive Lizenzgebühr für das kostenlose öffentliche Zugänglichmachen und unkontrollierte Weiterverbreiten würde viele Millionen Euro betragen. Die Kammer vermag wahrlich überzeugende Faktoren zur Bemessung der Schadensersatzhöhe nicht zu erkennen. (...)

Das LG Bochum zur Verjährung des Schadensersatzanspruches


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#10112 Beitrag von Steffen » Donnerstag 2. Juli 2015, 10:35

Nimrod Rechtsanwälte:
Landgericht Berlin: Einfaches Bestreiten des Zugangs einer Abmahnung sowie
der bloße Verweis auf Dritte führt zur Verurteilung des Anschlussinhabers
in Filesharing-Verfahren.





10:35 Uhr


Landgericht Berlin, Urteil vom 10.03.2015, Az. 16 S 10/14
  • Vorinstanz: AG Charlottenburg, Az. 231 C 409/13
Quelle:
NIMROD RECHTSANWÄLTE
Bockslaff & Scheffen Rechtsanwälte GbR
Emser Straße 9
10719 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 544 61 793
Fax: +49 (0) 30 544 61 794
E-Mail: info@nimrod-rechtsanwaelte.de
Internet: http://www.nimrod-rechtsanwaelte.de/wordpress

Link: Urteil des LG Berlin vom 10.03.2015, Az.: 16 S 10/14



"Ich habe das Abmahnschreiben gar nicht erhalten!"

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Weitere Literatur:
  • LG München I, Urteil vom 28.07.2011 - Az. 17 HK O 6767/11
  • BGH, Beschluss vom 21.12.2006 - I ZB 17/06
  • LG Hamburg, Urteil vom 07.07.2009 - Az. 312 O 142/09
  • LG Hamburg, Urteil vom 18.03.2008 - Az. 312 O 837/07
  • LG Düsseldorf, Urteil vom 11.04.2008, Az. 38 O 222/07
  • LG Erfurt, Urteil vom 20.11.2008 - Az. 3 O 1140/08
  • LG Köln, Urteil vom 02.11.2005 - Az. 2a O 113/05
  • OLG Braunschweig, Beschluss vom 13.08.2004 - Az. 2 W 101/04






Schlagwort:
  • Zugang einer Abmahnung

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10113 Beitrag von Steffen » Donnerstag 2. Juli 2015, 23:23

WALDORF FROMMER - Rechts:News



Amtsgericht Koblenz, Urteil vom 19.02.2015, Az. 152 C 2936/14:
Verspäteter Vortrag führt zu Verurteilung



Autorin: Rechtsanwältin Carolin Kluge

  • Das Amtsgericht Koblenz hat den beklagten Anschlussinhaber zur Leistung von Schadenersatz, Erstattung der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten, und Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt.

    Der Beklagte hatte sich im Rahmen seiner Klageerwiderungsfrist überhaupt nicht zu den streitgegenständlichen Vorwürfen geäußert. Erst im Gerichtstermin brachte er vor, die ihm vorgeworfenen Urheberrechtsverletzung nicht begangen zu haben. Er habe zum streitgegenständlichen Zeitpunkt in einer Wohngemeinschaft gelebt und die weiteren Mitbewohner nach Erhalt der Abmahnung zu der Urheberrechtsverletzung befragt. Diese hätten ihm gegenüber die Tatbegehung abgestritten.

    Nach Auffassung des Amtsgerichts kann ein derart unkonkreter Vortrag den strengen Vorgaben des Bundesgerichtshofs nicht genügen. Ungeachtet dessen waren die Behauptungen des Beklagten nach Ablauf der ihm gesetzten Einlassungsfrist als verspätet anzusehen und daher ohnehin nicht mehr berücksichtigungsfähig.

    Gegen den angesetzten Schadensersatz in Höhe von EUR 600,00 für die illegale Verbreitung eines Filmwerkes sowie die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 506,00 hatte das Gericht keinerlei Bedenken.
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Quelle: http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... urteilung/
Urteil als PDF: http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 936_14.pdf

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Amtsgericht Eckernförde, Urteil vom 24.06.2015, Az. 6 C 851/14:
Bloßer Verweis auf Besucher führt zu Verurteilung des Anschlussinhabers



Autorin: Rechtsanwältin Claudia Lucka

  • In diesem Verfahren vor dem Amtsgericht Eckernförde hatte der Anschlussinhaber die Rechtsverletzung pauschal von sich gewiesen und behauptet, dass im Zeitraum der Rechtsverletzung mehrere, nicht weiter benannte Personen bei ihm zu Besuch gewesen seien. Da er nicht ausschließen könne, dass das streitgegenständliche Werk über seinen Anschluss verbreitet wurde, habe er außergerichtlich bereits EUR 250,00 bezahlt.

    Das Gericht erachtete diesen Vortrag als ungenügend.

    Der lediglich pauschale Verweis auf etwaige Dritte ist nicht geeignet die dem Anschlussinhaber obliegende sekundäre Darlegungslast zu erfüllen, da er, "[…] sofern er die Rechtsgutverletzung bestreiten möchte, konkret darlegen muss, wer an seiner Stelle die Rechtsgutverletzung begangen habe und sofern er nicht als Störer haften will, darlegen muss, welche Sicherheitsvorkehrungen er gegen einen Missbrauch seines Internetzugangs getroffen habe."

    Zur Höhe der Rechtsverfolgungskosten führt das Gericht aus:

    "Darüber hinaus steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Verfolgung des Unterlassungsanspruchs in beantragter Höhe zu. […] Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung des Urheberrechts für die Urheber künstlerischer Werke zu erheblichen Einbußen führen kann und auch führt."

    Das Amtsgericht Eckernförde verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung der geforderten Rechtsanwaltskosten, von Schadensersatz sowie zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits.
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Quelle: http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... sinhabers/
Urteil als PDF: http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 851_14.pdf

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10114 Beitrag von Steffen » Donnerstag 2. Juli 2015, 23:50

Landgericht Köln:
Tatsächliche Vermutung bei Nichttäterschaft
zugriffsberechtigter Dritter




23:50 Uhr


Von einem Anschlussinhaber benannte Dritte müssen auch als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Hierfür trägt der Anschlussinhaber die Darlegungs- und Beweislast. In einem von "Rasch Rechtsanwälte" geführten Verfahren hat dies kürzlich das Landgericht (LG) Köln klargestellt (Az. 14 S 35/14).



Allgemeine Zugriffsmöglichkeit Dritter genügt

Über den Internetanschluss der Beklagten war, mittels einer auf dem "eDonkey"-Protokoll basierenden Filesharing-Software, ein vollständiges Musikalbum öffentlich zugänglich gemacht worden. In dem von "Rasch Rechtsanwälte" für die Rechteinhaberin geführten Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht (AG) Köln haben die Beklagten in erster Instanz vorgetragen, ihr im Haushalt lebender volljähriger Sohn habe Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt, stellten dessen Täterschaft hinsichtlich der streitgegenständlichen Rechtsverletzung jedoch in Abrede. Der volljährige Sohn der Beklagten wurde in dem Verfahren als Zeuge gehört und stritt die Begehung der Urheberrechtsverletzung ab. Er zog zudem in Betracht, möglicherweise urlaubsbedingt zum Verletzungszeitpunkt nicht im Haushalt der Eltern gewesen zu sein.

Gleichwohl hat die für urheberrechtliche Streitigkeiten zuständige Abteilung des AG Köln (Az. 137 C 16/14) in ihrer abweisenden Entscheidung darauf abgestellt, dass die Beklagten die tatsächliche Vermutung erschüttert hätten und damit die Rechteinhaberin die Beweislast für eine Täterschaft der Beklagten trage. Also die tatsächliche Vermutung nicht wiederauflebe, wenn feststeht, dass der Zugriffsberechtigte Dritte die Rechtsverletzung nicht begangen hat und als Täter nicht in Betracht kommt.



Anschlussinhaber trägt die Darlegungs- und Beweislast für entlastende Umstände

Dieser Auffassung des AG Köln ist das LG Köln in dem von "Rasch Rechtsanwälte" für die Klägerin geführten Berufungsverfahren nun entgegengetreten. Die Kammer für Urheberrechtssachen am LG Köln stellte mit Hinweis vom 21.05.2015 klar, dass die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände, die einen abweichenden Kausalverlauf ernsthaft in Betracht kommen lassen - vorliegend also, dass ein Dritter als Täter ernsthaft in Betracht kommt - beim Anschlussinhaber liegt. Nach dem Ergebnis der Feststellungen des AG und der Aussage des Zeugen sind diese Umstände aber von den Beklagten gerade nicht beweisen worden, weil der Zeuge bekundet hat, selbst keine Urheberrechtsverletzung begangen und keinerlei Filesharing-Software auf seinem Computer gehabt zu haben. Die Vermutung der Verantwortlichkeit der Anschlussinhaber ist damit, nach zutreffender Auffassung des LG Köln, nicht erschüttert.



Bundesgerichtshof: Es verbleibt bei der tatsächlichen Vermutung

Diese Rechtsauffassung des LG Köln bestätigte nun auch in seiner aktuellen Entscheidung vom 11.06.2015 der Bundesgerichtshof (Az. I ZR 75/14 - "Tauschbörse III"). In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes vom selben Tag stellt der Bundesgerichtshof in diesem, in den Vorinstanzen ebenfalls von "Rasch Rechtsanwälte" geführten Verfahren, klar, dass er seine Rechtsprechung zur Entkräftung der tatsächlichen Vermutung und zur sekundären Darlegungslast (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 - "BearShare") fortführt, nach der der Anschlussinhaber sich nicht allein auf die Behauptung eines Drittzugriffs zurückziehen kann - sondern nach seinem Vortrag Umstände bewiesen sein müssen, nach denen ein Dritter auch tatsächlich als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Gelingt dem Anschlussinhaber dies nicht, hat er nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung als Täter für die Rechtsverletzung einzustehen.



Verfahren vor dem LG Köln endet mit Vergleich

Die von "Rasch Rechtsanwälte" vertretene Rechteinhaberin entschloss sich trotz der mit dieser Einschätzung des LG Köln einhergehenden überragenden Erfolgsaussicht, das Berufungsverfahren aufgrund besonderer Umstände aufseiten der Beklagten durch Vergleich zu beenden.



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Autorin: Rechtsanwältin Claudia Kelting

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10115 Beitrag von Steffen » Freitag 3. Juli 2015, 23:13

AG Erfurt: Verjährung des Schadenersatzanspruchs beim Filesharing in drei Jahren


23:15 Uhr


Auch das AG Erfurt folgt in einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 30.06.2015, Az. 6 C 2088/14) unserer Ansicht, wonach Ansprüche bei Filesharing nach drei Jahren verjähren. Dies gilt sowohl für die geltend gemachten Schadens- als auch die Aufwendungsersatzansprüche.

Der Schadenersatzanspruch aus Lizenzanalogie verjährt nach Auffassung des Gerichts in der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren. Die §§ 102 S.2 UrhG, 852 BGB, nach denen der Anspruch in 10 Jahren von seiner Entstehung an verjährt, sind nach Auffassung des Gerichts nicht anwendbar. Das von der Klägerseite angeführte BGH-Urteil vom 27.10.2011 (Az. I ZR 175/10; "Bochumer Weihnachtsmarkt") findet hier keine Anwendung, da in Filesharingangelegenheiten keine Möglichkeit besteht, Lizenzverträge abzuschließen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.




Urteil im Volltext:
weiterlesen auf http://www.ra-juedemann.de




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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10116 Beitrag von Steffen » Samstag 4. Juli 2015, 01:21

Amtsgericht München:
Klägerseite kommt der ihr obliegenden Beweislast, dass die Urheberrechtsverletzung
über den Anschluss des Beklagten begangen wurde, nicht nach.
Keinen Anscheinsbeweis für per Post versandte Briefe (Wohngemeinschaft).



01:25 Uhr


Die Hamburger Kanzlei ...

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... informiert, wurde mit dem Urteil des Amtsgericht (AG) München (Urt. v. 07.05.2015, Az. 223 C 16998/14) eine unbegründete Filesharingklage der "KSM GmbH", vertreten durch die Berliner Kanzlei "BaumgartenBrandt", erfolgreich abgewiesen. Die Klägerseite kommt der ihr obliegenden Beweislast, dass die Urheberrechtsverletzung über den Anschluss des Beklagten begangen wurde, nicht nach.



Abmahnfall

Der Beklagte wurde wegen einer vermeintlichen Verwertung des Films "Siegburg" (2 Logs: 11/2009) 03/2010 abgemahnt. Nach dem die Zahlung verweigert wurde, beantragte die Klägerin einen Mahnbescheid. Nach Einzahlung der weiteren Gebühren und Abgabe des streitigen Verfahrens wurden die Ansprüche begründet. Der Klägervortrag wäre nicht überzeugend und überdies widersprüchlich zum ursprünglichen Beweisangebot.



Antrag
  • (...) Der Beklagte beantragt, Klageabweisung. (...)


Urteil
  • (...) erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht "xxx" aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2014 und 23.04.2015 folgendes

    Endurteil

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. (...)
    4. Der Streitwert wird auf 955,60 EUR festgesetzt. (...)


Entscheidungsgründe
  • (...) Die zulässige Klage ist unbegründet. (...)

    (...) Es ist nicht erwiesen, dass die angebliche Urheberrechtsverletzung über den Anschluss des Beklagten begangen wurde. (...)


Widersprüchliche Beweise
  • (...) Aus den vorliegenden Unterlagen insbesondere der Anlage K2 ergibt sich nur ein einziger Verletzungszeitpunkt betreffend den Beklagten. Die zweite dort aufgeführte Verletzungshandlung vom xx.11.2009 betrifft eine andere IP-Adresse und auch einen anderen Knotenpunkt, nämlich "xxx". Es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit dies auch den Beklagten betreffen sollte. Vortrag seitens der Klagepartei hierzu erfolgte nicht (...)

    (...) Eine Beweisaufnahme zu der Funktionsweise der Ermittlungssoftware, wie sie die Klägerseite zum Beweis der Behauptungen zur Anschlussermittlung ursprünglich auch angeboten hat, war damit erforderlich. Mehrere Tatzeitpunkte lagen gerade nicht vor. (...)

    (...) Soweit die Klägerseite nunmehr vorträgt, es bräuchte die Beweisaufnahme nicht, ist der Vortrag nicht überzeugend und überdies widersprüchlich zum ursprünglichen Beweisangebot. Der Beklagte hat wirksam bestritten. Die Klägerin ist damit beweispflichtig. (...)

    (...) Die Klägerseite hat den Vorschuss für die Zeugeneinvernahme nicht fristgemäß eingezahlt, auch nicht nach Erlass des Beschlusses nach § 356 ZPO. (...)

    (...) Die Klägerseite ist damit der ihr obliegenden Beweislast, dass die Urheberrechtsverletzung über den Anschluss des Beklagten begangen wurde, nicht nachgekommen. (...)


Beklagter bestreitet Zugang der Abmahnung
  • (...) Der Beklagte hat den Zugang der Abmahnung zu einem früheren Zeitpunkt als nach Einleitung des Mahnverfahrens bestritten. Die Klägerin hat hierzu nicht weiter vorgetragen. Es gibt insoweit keine Beweislast des Beklagten, sondern eine Beweislast der Klägerin. Hierauf wurde mehrfach hingewiesen, vgl. v.a. Hinweis in der Ladung vom 24.02.2015. Die Klägerin ist insoweit beweisfällig geblieben. Einen Anscheinsbeweis für per Post versandte Briefe gibt es nicht, vgl. Palandt, § 130 BGB, Rn 21. Entscheidend ist der bestrittene Zugang. Einem Beweisangebot für die Absendung der Abmahnung war daher nicht nachzukommen. (...)
Es ergäbe sich die Verjährung auch, selbst wenn die Abmahnung zugegangen wäre. Keine Anwendung der Verjährungsfrist von 10 Jahren im Streitfall.



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AG München, Urteil vom 07.05.2015, Az. 223 C 16998/14
Urteil im Volltext als PDF-Download (3,63 MB)

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Fazit AW3P

Glückwunsch an den Beklagten und seinem Anwalt, Herrn Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs.

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Folgende Gerichte entschieden, dass für Filesharingfälle die Anwendung des § 102 Satz 2 UrhG (10-jährige Verjährung) sowie der BGH-Entscheid: "Bochumer Weihnachtsmarkt" (Urteil vom 27. 10. 2011 - I ZR 175/10) - keine - Anwendung finden:

Amtsgericht:
  • AG Bielefeld (Urteil vom 06.03.2014 - Az. 42 C 368/13)
  • AG Düsseldorf (Urteil vom 24.07.2014 - Az. 57 C 15659/13)
  • AG Kassel (Urteil vom 24.07.2014 - Az. 410 C 625/14)
  • AG Frankfurt a.M. (Urt. v. 30.10.2014 - Az. 32 C 2305/14 (84)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 20.11.2014 - Az. 42 C 483/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 08.01.2015 - Az.42 C 481/14)
  • AG Hannover (Urteil vom 09.01.2015 - Az. 424 C 7759/14)
  • AG Düsseldorf (Urteil vom 13.01.2015 - Az. 57 C 7592/14
  • AG Frankenthal (Urteil vom 14.01.2015 - Az. 3c C 96/14)
  • AG Koblenz (Urteil vom 21.01.2015 - Az. 142 C 486/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 22.01.2015 - Az. 42 C 230/14)
  • AG Frankenthal (Urteil vom 02.02.2015 - Az. 3b C 169/14)
  • AG Braunschweig (Urteil vom 03.02.2015 - Az. 118 C 2178/14)
  • AG Nürtingen (Urteil vom 06.02.2015 - Az. 17 C 1378/14),
  • AG Charlottenburg (Urteil vom 18.02.2015 - Az. 213 C 118/14)
  • AG Köln (Urteil vom 19.02.2015 - Az. 148 C 31/14)
  • AG Bochum (Urteil vom 25.02.2015 - Az. 38 C 362/14)
  • AG Hannover (Urteil vom 06.03.2015 - Az. 524 C 8598/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 02.04.2015 - Az. 42 C 552/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 02.04.2015 - Az. 42 C 544/14)
  • AG Köln (Urteil vom 13.04.2015 - Az. 125 C 579/14)
  • AG München (Urteil vom 17.04.2015 - Az. 243 C 19271/14)
  • AG Koblenz (Urteil vom 24.04.2015 - Az. 411 C 2211/14)
  • AG Frankfurt-Höchst (Urteil vom 06.05.2015 - Az. 386 C 1813/14 (80))
  • AG Braunschweig (Urteil vom 06.05.2015 - Az. 113 C 2498/14)
  • AG Bielefeld (Urteil vom 07.05.2015 - Az. 42 C 656/14)
  • AG Leipzig (Urteil vom 20.05.2015 - Az. 102 C 5886/14)
  • AG Nürnberg (Urteil vom 28.05.2015 - Az. 27 C 421/15)
  • AG Frankfurt a.M. (Urteil vom 28.05.2015 - Az. 32 C 3167/14 (84))
  • AG Würzburg (Urteil vom 29.05.2015 - Az. 34 C 2043/14)
  • AG Leipzig (Urteil vom 03.06.2015 - Az. 102 C 6914/14)
  • AG Erfurt (Urteil vom 30.06.2015 - Az. 16 C 2088/14)
  • AG München (Urteil vom 07.05.2015, Az. 223 C 16998/14)
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Landgericht:
  • LG Bielefeld (Beschluss vom 06.02.2015 - Az. 20 S 65/14)
  • LG Frankenthal (Beschluss vom 17.04.2015 - Az. 6 S 18/15)
    • Berufung wurde zurückgenommen; Urteil und Beschluss rechtskräftig!



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Steffen Heintsch für AW3P

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AG München, Urteil vom 07.05.2015, Az. 223 C 16998/14

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10117 Beitrag von Steffen » Sonntag 5. Juli 2015, 11:33

Die Antistatistik - erstes Halbjahr 2015 (Filesharing)



05. Juli 2015




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Antistatistik? Natürlich, diese Formulierung ist provokant gewählt, genau wie einige Standpunkte. Es wird von meiner Seite aus keine wissenschaftlich fundierte Statistik geben. Kann ich auch gar nicht. Ich möchte aber weiterhin auf die Nennung diverser realer Zahlen nicht verzichten sowie werde die ausgewählten Themen nur grob anschneiden. Sicherlich sind diese Zahlen nicht aussagekräftig für Filesharingfälle bundesweit, werden aber für den einen oder anderen dennoch von Interesse sein.


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Die für die Betroffenen als erste Empfehlung sowie von AW3P kostenfrei ("du musst nichts bezahlen"; keine Kosten) und kostenlos ("es wird dich nichts kosten"; umsonst) gelistete Anwälte, wurden durch AW3P betreffs der Mitteilung ihrer Kanzleizahlen angeschrieben. Selbstverständlich werden diese Informationen streng vertraulich behandelt, nach der Zusammenfassung die zugesandten E-Mails gelöscht und nur die Gesamtzahlen (entpersonalisiert) veröffentlicht. Ich bedanke mich bei allen Kanzleien, die ihre Zahlen freundlicherweise mitgeteilt haben.


Hinweis:
Immer wieder ist zu lesen, dass einmal diese zusammengefassten Zahlen niemals nicht stimmen könnten, da die tatsächliche Klagetätigkeit weit höher sei. Andermal, dass es ja anzahlmäßig so wenige Klagen sind, dass man sich bei einer Klagewahrscheinlichkeit von 0,00000000000003456 % keinerlei Sorgen machen müsste. Für beide irrtümlichen Schlussfolgerungen muss ich deutlich sagen, natürlich stellen diese Zahlen nicht die Gesamtzahlen bundesweit für Filesharing dar, sondern nur die mitgeteilten Zahlen von 44 Kanzleien. Es gibt halt weit mehr Anwaltskanzleien, die Filesharingfälle übernehmen sowie Betroffene, die sich allein verteidigen, anerkennen, versäumen, verlieren oder sich vergleichen.


.................

Hinweis:
Alle Zahlen mit der Angabe: 'Sonstige', sind gemeldete Zahlen ohne Angabe eines Kanzleinamen. Das heißt, es kann durchaus zu Diskrepanzen kommen zwischen den Angaben Halbjahr und Jahr. Ich kann aber nur Zahlen aufschlüsseln, so wie diese mir gemeldet werden.

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Kanzleien (die Ihre Zahlen freundlicherweise mitteilten)
  • 2011: 21
  • 2012: 42
  • HJ 2013: 35
  • 2013: 34
  • HJ 2014: 37
  • 2014: 33
  • HJ 2015: 44
.................

Mandate
  • 2011: 13.784
  • 2012: 15.652
  • HJ 2013: 7.425
  • 2013: 12.854
  • HJ 2014: 4.660
  • 2014: 10.469
  • HJ 2015: 4.416
.................

Vergleichsbereitschaft (Mandanten)
  • 2011: 0
  • 2012: 42,6%
  • HJ 2013: 41,45%
  • 2013: 36 %
  • HJ 2014: 23,05%
  • 2014: 20,78%
  • HJ 2015:
    • 3 - 10% - größere Kanzleien
    • 30 - 80% - kleinere Kanzleien[/b]
.................

Wöchentlicher Durchschnitt - Anrufe von Abgemahnte
  • 2014: 1-2
  • HJ 2015: 3 - 5
Hinweis:
Da im Grundsatz es nur eine Großkanzlei gibt, wäre eine Aufspaltung in kleine und große Kanzleien nicht mehr aussagekräftig.

.................

Negative Feststellungsklage
  • 2011: 0
  • 2012: 0
  • HJ 2013: 0
  • 2013: 0
  • HJ 2014: 0
  • 2014: 5 (4 Sonstige, 1 WF)
  • HJ 2015: 5
    • 5 Debcon[/b]
.................

Einstweiliges Verfügungsverfahren (EV)
  • 2011: 0
  • 2012: 27 (27 Sonstige)
  • HJ 2013: 19 (10 Selig, 5 Sch/Sch., 2 Nimrod, 1 Goethe, 1 Sonstige)
  • 2013: 13 (10 Selig, 3 Sch/Sch.)
  • HJ 2014: 4 (1 Fareds, 1 Sch/Sch., 1 c-law, 1 WSYCR)
  • 2014: 7 (4 Fareds, 1 Sch/Sch., 1 c-law, 1 WSYCR)
  • HJ 2015: 2
    • 1 WF
    • 1 S&P[/b]
.................

Beschwerdeverfahren
  • 2011: 0
  • 2012: 7 (7 Sonstige)
  • HJ 2013: 5 (2 Sonstige, 1 WF, 1 Negele, 1 U+C)
  • 2013: 7 (6 § 101 IX UrhG, 1 Streitwert)
  • HJ 2014: 2 (§ 101 IX UrhG)
  • 2014: 2 (2 Sonstige (§ 101 X UrhG))
  • HJ 2015: 4
    • 2 Sonstige
    • 1 WF
    • 1 rka.[/b]
.................

Mahnbescheid (MB)
  • 2011: 124 (124 Sonstige)
  • 2012: 495 (495 Sonstige)
  • HJ 2013: 599 (307 Sonstige, 153 WF, 44 Rasch, 39 rka., 36 Sch/Sch., 8 Fareds, 4 Schröder, 2 Haas (infoscore, S&W), 2 Condor (BB), 1 Debcon, 1 Goethe, 1 S&P, 1 SKW)
  • 2013: 2.016 (1.379 Sonstige, 164 WF, 131 Wulf, 72 BB, 55 Rudolph, 44 Negele, 42 Fareds, 38 Sch/Sch., 37 rka., 35 Rasch, 4 Edelmaier, 3 S&P, 2 adebio, 2 Schroeder, 2 Selig, 1 Schmietenknop, 1 Europa, 1 Wehrl, 1 Sebastian, 1 SKW, 1 CSR)
  • HJ 2014: 482 (159 Sonstige, 101 WF, 67 Wulf, 43 BB, 29 Rudolph, 23 Debcon, 21 Fareds, 15 Sch/Sch., 10 Edelmaier, 5 Negele, 3 CSR, 2 U+C, 2 S&P, 1 Haas, 1 Sebastian)
  • 2014: 1.060 (681 Sonstige, 139 WF, 82 Fareds, 42 BB, 28 Sch./Sch., 27 Sebastian Wulf, 18 Inkasso:, 11 Negele, 9 rka., 7 CSR, 5 S&P, 4 Condor, 4 c-law, 2 U+C, 1 WSYCR)
  • HJ 2015: 441
    • 340 Sonstige
    • 40 WF
    • 30 BB
    • 12 Sch./Sch.
    • 6 Fareds
    • 4 Rasch
    • 4 Sebastian
    • 4 rka.
    • 1 c-law[/b]
.................

Vollstreckungsbescheid (VB)
  • 2011: 0
  • 2012: 22 (22 Sonstige)
  • HJ 2013: 3 (2 Fareds, 1 Rasch)
  • 2013: 31 (16 Sonstige, 6 WF, 3 BB, 3 Wulf, 2 Fareds, 1 U+C)
  • HJ 2014: 38 (20 Sonstige, 5 BB, 4 Debcon, 3 Rudolph, 3 Wulf, 3 Sch/Sch.)
  • 2014: 61 (30 Sonstige, 14 BB, 10 Inkasso, 2 Fareds, 1 Schroeder, 1 Sch/Sch., 1 c-law, 1 Condor, 1 Wulf)
  • HJ 2015: 22
    • 19 Sonstige
    • 2 Sebastian
    • 1 Fareds[/b]
.................

Unterlassungsklagen
  • 2011: 0
  • 2012: 19 (19 Sonstige)
  • HJ 2013: 7 (2 Sch/Sch., 2 Sonstige, 1 Rasch, 1 WF, 1 Schröder)
  • 2013: 10 (5 WF, 2 Sonstige, 1 Rasch, 1 Schroeder, 1 S&P)
  • HJ 2014: 5 (4 Sonstige, 1 Rasch)
  • 2014: 8 (4 Sonstige, 2 WF, 1 Rasch, 1 Negele)
  • HJ 2015: 7
    • 7 Sonstige[/b]
.................

Amtsgericht (AG)
  • 2011: 165 (165 Sonstige)
  • 2012: 498 (498 Sonstige)
  • HJ 2013: 238 (85 WF, 48 Rasch, 30 rka., 29 Sonstige, 27 Sch/Sch., 7 Schroeder, 3 Fareds, 2 CSR, 2 S&P, 2 SKW, 2 ZD, 1 Lexius)
  • 2013: 641 (189 WF: 189, 173 Sonstige, 120 Sch/Sch., 72 Rasch, 33 rka., 13 Marquort, 9 Schroeder, 8 BB, 5 Negele, 4 Fareds, 3 SKW, 2 Kornmeier, 2 Condor, 2 CSR, 2 Nimrod, 2 Lexius, 1 S&P, 1 ZD)
  • HJ 2014: 237 (72 Sch/Sch., 55 WF, 34 BB, 34 Sonstige, 18 Rasch, 6 Fareds, 5 rka., 5 Negele, 3 Wulf, 2 CSR, 1 Debcon, 1 Sebastian, 1 S&P)
  • 2014: 1.062 (340 Sonstige, 269 BB, 252 Sch/Sch., 95 WF, 28 rka., 18 Rasch, 10 Schalast, 8 Negele, 8 S&P, 7 CSR, 6 Debcon, 5 Sebastian Wulf, 5 Fareds, 3 Nimrod, 2 Inkasso, 2 Kornmeier, 2 Bindhardt, 1 U+C, 1 SKW Schwarz)
  • HJ 2015: 525
    • 333 Sonstige
    • 95 BB
    • 51 WF
    • 18 Rasch
    • 14 Sch./Sch.
    • 6 rka.
    • 2 Focus
    • 2 c-law
    • 1 Fareds
    • 1 Kornmeier
    • 1 Munderloh
    • 1 Sebastian[/b]
.................

Landgericht (LG)
  • 2011: 5 (5 Sonstige)
  • 2012: 57 (57 Sonstige)
  • HJ 2013: 98 (90 Sonstige, 4 WF, 2 Rasch, 1 Schroeder, 1 rka.)
  • 2013: 13 (6 Sonstige, 5 Rasch, 1 rka., 1 WF)
  • HJ 2014: 12 (10 Sonstige, 1 WF, 1 Nimrod)
  • 2014: 69 (51 Sonstige, 7 Rasch, 4 WF, 4 BB, 2 rka., 1 Sch/Sch.)
  • HJ 2015: 61
    • 41 Sonstige
    • 14 BB
    • 2 WF
    • 2 Rasch
    • 1 Negele
    • 1 rka.[/b]
.................

Oberlandesgericht (OLG)
  • 2011: 1 (1 Sonstige)
  • 2012: 12 (12 Sonstige
  • HJ 2013: 9 (8 Sonstige, 1 Rasch)
  • 2013: 1 (1 Rasch)
  • HJ 2014: 4 (4 Sonstige)
  • 2014: 4 (4 Sonstige)
  • HJ 2015: 9
    • 9 Sonstige[/b]
.................

Bundesgerichtshof (BGH)
  • 2011: 0
  • 2012: 2 (2 Sonstige)
  • HJ 2013: 2 (2 Sonstige)
  • 2013: 2 (2 Sonstige)
  • HJ 2014: 2 (2 Sonstige)
  • 2014: 1 (1 Sonstige)
  • HJ 2015: 1
    • 1 Rasch[/b]
.................

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
  • 2011: 0
  • 2012: 0
  • HJ 2013: 9 (9 Sonstige)
  • 2013: 0
  • HJ 2014: 0
  • 2014: 1 (1 Sonstige)
  • HJ 2015: 0
.................




Rechtsprechung

Im ersten Halbjahr 2015 gab es interessante Gerichtsentscheidungen - insbesondere durch dem Bundesgerichtshof.



BGH, Urteile vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14

Mitteilung der Pressestelle Nr. 92/2015
Link: juris.bundesgerichtshof.de

I. BGH - I ZR 19/14: "Tauschbörse I"
  • Vorinstanzen:
    • LG Köln, Urteil vom 31.10.2012, Az. 28 O 306/11
    • OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013, Az. 6 U 205/12
II. BGH - I ZR 7/14: "Tauschbörse II"
  • Vorinstanzen:
    • LG Köln, Urteil vom 02.05.2013, Az. 14 O 277/12
    • OLG Köln, Urteil vom 06.12.2013, Az. 6 U 96/13
III. BGH - I ZR 75/14: "Tauschbörse III"
  • Vorinstanzen:
    • LG Köln, Urteil vom 24.10.2012, Az. 28 O 391/11
    • OLG Köln, Urteil vom 14.03.2014, Az. 6 U 210/12
Mit Interesse wird die Veröffentlichung des jeweiligen Volltextes erwartet.



AW3P In / Out:

  • Bild "Riegger Rechtsanwälte", Ludwigsburg + "Wilde, Beuger und Solmecke", Köln und ihre Mandantinnen


    Bild Das flegelhafte Erklär- und Ausredeverhalten des Verantwortlichen "Spendenanaktion gegen den Abmahnwahn"



Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Januar 2015, I ZR 148/13: "Motorradteile"

Link: lexetius.com

Diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist bzw. wurde eigentlich wenig bis gar nicht diskutiert, oder in den diversen Anwaltsblogs veröffentlicht. Eigentlich ist der Sachverhalt: Verjährung des Schadensersatzanspruchs bei Urheberrechtsverletzungen auch eindeutig und nicht erst seit dem BGH-Entscheid "Motorradteile". "AW3P. Moment. Es gibt doch mittlerweile viele Entscheidungen z.B. von Amtsgerichten, die gerade dieses verneinen und sagen, das auch der Schadensersatzanspruch bei Filesharingfällen, innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegt!" Falsch, oder es geht den entsprechenden Gerichten eigentlich um die reinen Abmahnkosten als Teil des Schadensersatzes. Denn die verjähren schon in den drei Jahren.

Im Urheberrecht geltende Grundsätze zur Verjährung - wie auch alle anderen Regelungen - für alle Rechtsverletzungen, egal, ob diese 'online' oder 'offline' begangen worden. Egal, ob es sich dabei um Fotos, Musikstücke oder andere Werkgattungen handelt. Und egal, in welches Recht eingegriffen wird, sei es das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung oder das Verbreitungsrecht usw. usf.

Insoweit gilt § 102 UrhG i.V.m. dem § 852 BGB bereits seit 1965 und seit dem gilt auch die 10-jährige Verjährung. Da benötigt man weder die aktuelle BGH-Entscheidung "Motorradteile", noch muss man auf eine künftige Entscheidung aus Karlsruhe warten, die explizit zum Filesharing ergeht. Ein spezieller Verjährungstatbestand für Filesharingfälle ist nämlich im Gesetz überhaupt nicht vorhanden. Die gesetzliche Regelung der 10-jährigen Verjährung bzgl. des Schadensersatzes lässt auch keinen Ermessensspielraum oder Interpretationsspielraum zu, sondern ist völlig unzweideutig und ergibt sich direkt aus dem Wortlaut und ist selbst in der Literatur nicht ansatzweise in der Kritik. Das deutsche Recht regelt Fälle nun mal anders als z.B. in den USA, nicht als case-law, sondern als abstrakte Normen, die für alle denkbaren Fälle gelten.


Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht mit Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz, Neue Medien und Wirtschaftsrecht - Universität zu Köln
Link: "brand eins" - Wirtschaftsmagazin: Ausgabe 12/2011 "Das digitale Urheberrecht steht am Abgrund"
  • (...) Im Urheberrecht gilt ein anderer Schadensbegriff als im Bürgerlichen Gesetzbuch. Im Urheberrecht muss dieser Zusammenhang nicht dargelegt werden. Es gibt eine alte Rechtsprechung, die schon das Reichsgericht gebraucht hat, und diese Rechtsprechung sagt, der Schaden bemisst sich an der Gebühr, die der Rechteinhaber hätte verlangen können, wenn er gefragt worden wäre. Rein technisch gesehen ist das eine Lizenzanalogie. Der Jurist stellt einen fiktiven Schaden fest und gründet auf diesem den Anspruch auf Schadenersatz. Diese ganzen Streitereien interessieren den Juristen also gar nicht. (...)

Schadensersatzansprüche gegenüber dem Täter einer Urheberrechtsverletzung (§ 97 Abs. 2 UrhG) bestehen immer - dies ist nichts Neues, nur hast es bislang niemand so richtig interessiert - auch als bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 812 ff. BGB, da der Rechtsverletzer die Nutzung bzw. den Gebrauchsvorteil des Rechts erlangt hat. Daher verweist § 102 UrhG auf § 852 BGB, ergo auf die 10-jährige Verjährung. Der BGH führt dazu, in einer aktuell veröffentlichen Entscheidung wieder einmal (nicht erstmalig, vgl. BGH Urteil des I. Zivilsenats vom 27.10.2011 - I ZR 175/10 - "Bochumer Weihnachtsmarkt"), wie folgt aus:

  • BGH, Urteil vom 15.01.2015, I ZR 148/13: "Motorradteile"
    (...) Der auf die Verletzung des ausschließlichen Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Fotografien (...) gestützten Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gemäß § 97 UrhG ist nicht verjährt, weil er im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG, § 852 BGB auf die Herausgabe einer durch die Verletzung dieses Rechts er-langten ungerechtfertigten Bereicherung gerichtet ist. (...)

    (...) Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines Immaterialgüterrechts besteht in der angemessenen Lizenzgebühr. Wer durch die Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts etwas erlangt hat, kann sich im Regelfall auch nicht mit Erfolg nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, da das Erlangte - also der Gebrauch des Schutzgegenstands - nicht mehr entfallen kann. (...)

    (...) Der Anspruch aus § 852 BGB setzt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung jedenfalls nicht voraus, dass der Verletzer einen Gewinn erzielt hat. Vielmehr genügt es, dass er einen Vermögensvorteil in Gestalt eines Gebrauchsvorteils erlangt hat. Mit dem Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB kann daher die Herausgabe des durch die Verletzung eines Schutzrechts erlangten Gebrauchsvorteils im Wege der Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr verlangt werden. (...)
Punkt.




BGH, Urteil vom 17. Juni 2015, 2 StR 228/14: "Handyverbot für Richter"

Link: www.lto.de

Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Richter während laufender Hauptverhandlung ihr Handy nicht benutzen dürfen, um private Belange zu regeln. Die sei unzulässig. Schreibe der Richter beispielsweise während der Verhandlung private SMS, begründe dies die "Besorgnis der Befangenheit", den der Richter stelle seine privaten Dinge für eine gewisse Zeit über seine Dienstpflichten.


Karikatur AW3P-2015

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BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015, IV ZR 127/14; OLG Celle

Link: lexetius.com
  • (...) Die darlegungs- und beweisbelastete Partei ist berechtigt, Behauptungen zu Vorgängen, die sich ihrer unmittelbaren Kenntnis entziehen, auch ohne eine dahingehende positive Kenntnis und nur auf eine Vermutung gestützt aufzustellen. Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen Anwendungsfall des vom Berufungsgericht angeführten § 138 Abs. 4 ZPO, weil diese Norm die Erklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei betrifft. In der Sache ist die Annahme einer zulässig aufgestellten Behauptung aber nicht zu beanstanden. (...)

    (...) Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richtet sich dabei aber nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser ist, desto höher ist die Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. (...)

    (...) Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab. (...)



BGH, Urteil vom 23. Juni 2015, XI ZR 536/14

Mitteilung der Pressestelle Nr. 105/2015

Link: juris.bundesgerichtshof.de

Macht der Anwalt bei einem Mahnbescheid bewusst falsche Angaben, hemmt der Mahnbescheid die Verjährung nicht. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 23.06.2015, XI ZR 536/14).




Trend erstes Halbjahr 2015

Es wird geklagt. Punkt. Im Mittelpunkt steht immer wieder "die" Kernaussage, die der Bundesgerichtshof, beginnend mit dem BGH-Entscheid: "Sommer unseres Lebens" (Urt. v. 12.05.2010 - I ZR 121/08) traf und mit "Morpheus" (Urt. v. 15.11.2012 - I ZR 74/12) und "BearShare" (Urt. v. 08.01.2014 - I ZR 169/12) weiter festigte.
  • BGH-Entscheid: "Sommer unseres Lebens" (Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08)
    (...) Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. (...) Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers (...)

    BGH-Entscheid: "Morpheus" (Urteil vom 15.11.2012 - I ZR 74/12)
    (...) Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (...)

    BGH-Entscheid: "BearShare" (Urteil vom 08.01.2014 - I ZR 169/12)

    Zur sekundären Darlegungslast:

    (...) Im Streitfall spricht keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. (...) Den Beklagten trifft als Inhaber des Internetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegungslast. (...)In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (...)

Schnell erkennt man das eigentliche Dilemma des aktuellen BGH-Entscheids: "BearShare" in der Konstellation: "Mitnutzer".

Amtsgericht Leipzig , Urteil vom 04.03.2015, Az. 102 C 4646/14:
  • (...) Die rein theoretische Möglichkeit der Rechtsverletzung durch weitere Personen genügt der sekundären Darlegungslast des Beklagten nicht. (...) Der Beklagte muss dabei die Vorgänge im Bezug auf die Internetnutzung in seinem Haushalt schildern, da die Klägerin nicht kennen und auch nicht ermitteln kann. (...) Ohne konkreten Sachvortrag wäre andernfalls die Durchsetzung von Ansprüchen eines Urhebers grundsätzlich ausgeschlossen, sobald sich im Haushalt mehrere Personen befinden oder der Anschlussinhaber lediglich pauschal auf Nutzungsmöglichkeit anderer Personen verweist. (...)
Wenn man die aktuelle Rechtsprechung einschätzen wollte, kommt man unweigerlich auf folgenden Trend. Natürlich stellt es meine persönliche Meinung dar. Der Prozess der Reife eines Gesetzes bzw. einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs geschieht innerhalb eines unterschiedlichen Ermessens der Gerichtsstandorte bundesweit. Man gewinnt leicht die Vermutung, dass es durchaus an "dem" Gerichtsstandort ankommt; "dem" Richter; wer klagt; wie oft an einem Gerichtsstandort geklagt wird; welche Klientel mit welchem Streitgegenstand vor Gericht vertreten wird. Auch die Anforderungen an die Beweislast (Kläger) und sekundäre Darlegungslast (Beklagter) werden sehr unterschiedlich hoch gestellt. Es wird aber auch deutlich, das viele Beklagte ihre rosarote Brille abnehmen müssen und in Verbindung mit ihrem Anwalt einen qualifizierten, tiefgründigen und vor allem beweisbaren Sachvortrag erbringen müssen. "Ich war es nicht", "keiner war es", "es konnte jemand den Internetanschluss mit benutzen" ... "wird die Klage jetzt abgewiesen?! " - reicht einfach nicht aus. Ausrufezeichen.




Gedanken zur sekundären Darlegungslast (Nachforschungs- und Recherchepflicht)

Zusammenfassung aktueller Forderungen durch die Gerichte bundesweit. Die Recherchepflicht / Nachforschungspflicht ist dabei als untrennlicher Teil der sekundären Darlegungslast, zu sehen. Dahingestellt, ob einige Forderungen aus unserer Sicht heraus als Überzogen anzusehen sind, es müssen erst einmal alle aufgzählt werden.


Recherchepflicht (Nachforschungspflicht) - mit - Erhalt Abmahnung bis sekundäre Darlegungslast im Klageverfahren

a) Benennung der konkreten Mitnutzer im fraglichen Zeitraum
  • => mit Namen, Alter + Anschrift
    => Hatten diese Mitnutzer auch tatsächlich zum Tatzeitpunkt bzw. zu den Tatzeitpunkten Zugang.
    • - Denklogik: War niemand zu Hause, wer kommt dann infrage?
b) Art und Anzahl der PCs im Haushalt
  • => befindet sich die benannte Tauschbörsensoftware oder der Streitgegenstand auf irgendeinem Rechner
c) Absicherung der PCs gegenüber unbefugten Zugriffen
  • => Antivirus, Firewall, eigenes Benutzerkonto mit eingeschränkten Rechten, Portsperrung, sicheres Passwort usw. usf.
d) Nutzungsverhalten der Mitnutzer
  • => sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu installieren
    => sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu (be-)nutzen
    => deren Vorlieben in puncto Musik, Filme oder Games - insbesondere gegenüber dem Streitgegenstand -
e) Nutzungsverhalten des / der AI
  • => in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu installieren
    => in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu (be-)nutzen
    => Vorlieben in puncto Musik, Filme oder Games - insbesondere gegenüber dem Streitgegenstand -
f) Art und Umfang der Absicherung des WLAN-Anschlusses gegenüber Eingriffen unbefugter Dritter
  • => Werkseitige Passwörter sind mit Einrichtung des Netzwerkes zu ändern!
    => Passwörter:
    • - periodisch wechseln
      - immer abwechslungsreich und schwierig zu wählen (alphanumerisch: im engeren Sinne entweder ein Buchstabe oder eine Ziffer. Im weiteren Sinne ist es eine Ziffer, ein Buchstabe oder ein Sonderzeichen (z.B. Punkt, Komma, Klammern)) sowie
      - der AI muss dieses Passwort auswendig kennen und den Nachweis (Zettel, Ausdruck) über das aufgeschriebene Passwort erbringen und dem Gericht vorlegen.
g) Umfang der Nachforschungen bei den Zugriffsberechtigten in Form von Befragung
  • => Ergebnis - schriftlich - dokumentieren
    => wie reagierte der / die Befragte/n auf den "Vorwurf" der Begehung der Tat?
    - Reagierte dieser "komisch" / widersprüchlich / lange nachdenkend / kooperativ usw.
    => Verbot gegenüber minderjährigen Zugriffsberechtigten Internettauschbörsen zu nutzen, da man jetzt Kenntnis über einen UrhR-Verstoß hat
    => Onlineaktivität zum Tatzeitpunkt im Verlauf des Betriebssystems des jeweiligen Rechners (LG Stuttgart (Urt. v. 25.11.2014 - Az. 17 O 468/14 = Überprüfung des jeweiligen Verlaufs des Rechners und Browsers) oder
    => gar das Einräumen des Vorwurfs innerhalb der Recherchepflicht. Dieses ist im Grundsatz vorab anwaltlich zu besprechen!
Wichtig:
  • Detailliertheit und Plausibilität des Vortrags!
Im Rahmen des Zumutbaren:
  • a) die eigene mögliche Verantwortlichkeit bestreiten
    b) Tatsachen hinsichtlich einer ernsthaften Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablauf darlegen. Alternativer Sachverhalt, wonach eine dritte Person als Täter in Betracht kommen kann.
    • => Das heißt, die Möglichkeit einer Alleintäterschaft eines anderen Mitbenutzers.
Beachte:
  • a) Eine Behauptung ist ein Tatsachenvortrag. Dieser muss bewiesen werden. Der Beweis ist erbracht, wenn die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.
    b) Wird der sekundären Darlegungslast nicht genüge getan, fällt die tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit wieder auf den Anschlussinhaber zurück. Ergo, er ist Störer und Täter / Teilnehmer.



Verjährung allgemein und mögliche Hemmung durch einen Mahnbescheid (Amtsgericht Leipzig: Az. 102 C 5886/14, Az. 102 C 6914/14)

1) Maßgeblich §§ 199, 195 BGB (3 Jahre)

I. Anspruch entstanden ist
  • Log: 'Datum xx.xx.xxxx'
und (nicht oder / bzw., sondern und)

II. Rechteinhaber von der Person (Name + Anschrift) hinter der IP, Kenntnis erlangt
  • Providerauskunft: 'Datum xx.xx.xxxx'

Berechnung:
  • a) fallen beide Ereignisse in dasselbe Jahr = '31.12.; 24:00' Uhr des Jahres zu I. + zu II.
    b) fallen beide Ereignisse nicht in dasselbe Jahr, zählt - nur - das Jahr der Providerauskunft = '31.12.; 24:00 Uhr' Jahr zu II.
2) Hemmung durch einen Mahnbescheid
  • Zeitpunkt: ("wirksame"; vgl. § 180 ZPO) Zustellung des Mahnbescheides (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB); Frist: 1 Monat (alsbald / demnächst; BGH - VII ZR 230/01)
Das heißt aber, (in der Regel),
  • es bleibt eine Restlaufzeit der Verjährung von 'xx' Tagen (Zustellung Mahnbescheid bis '31.12.; 24:00 Uhr'; siehe Punkt zu 1))
3) Dauer der Hemmung
  • Zeitraum von 6 Monaten, solange - keine - weiteren verfahrensfördernde Handlungen des Gerichts oder der Partei vorgenommen werden (vgl. § 204 Abs. 2 BGB).
Berechnung:
  • Letzte verfahrensfördernde Handlung durch das Gericht / Partei + 6 Monate + 'xx' Tage Restlaufzeit der Verjährung = 'Datum Verjährungsfrist bei Hemmung durch MB xx.xx.xxxx; 24:00 Uhr'
4) Eintritt Verjährung
  • 1 Tag später; 00:00 Uhr
5) Beachte!
  • Für eine genaue Klärung im konkreten Einzelfall - muss - ein Anwalt beauftragt werden!




Dies und das



Telekom: Bericht Datenschutz und Datensicherheit 2014

Link: Telekom-Datenschutzbericht-2014

Die Telekom veröffentlichte den Bericht Datenschutz und Datensicherheit 2014. Neben vielen wahrscheinlich interessanten Daten und Fakten zum Unternehmen die für uns relevanten Zahlen (S. 53).

Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden
  • 2013: 946.641
  • 2014: 733.377 - Auskünfte Betreff Urheberrechtsansprüchen
Wenn man jetzt - realistisch - von 30 % resultierenden Abmahnungen ausgehen kann, sind es ca. 223.000 Abmahnungen 2014 (nur Telekom).




Verbraucherforum

Wobei Verbraucherforum sowieso der falsche Begriff ist. Eher ein Treffpunkt gelangweilter "Ego-Exhibitionisten". Es wurde schon vor langer Zeit prognostiziert, das die Foren die "Neandertaler des Abmahnwahns" wären.

Bild

Von vielen belächelt, wurde diese Entwicklung 2010/2011 für denjenigen - der es denn sehen wollte -, eindeutig. Mit Erhöhung der Klagetätigkeit trennte sich einfach die Spreu vom Weizen und "unsere" (Unschulds-; Bunte Tüten-; Quark-Theorie-; Honeypot-) Argumente verpufften in der Realität. Natürlich spielt hier auch die vorherrschende Informationsvielfalt auch eine Rolle mit. Man muss sich einfach nicht mehr irgendwo registrieren, um sich zu informieren.



Kalauer des ersten Halbjahres:

Bild





(Abschliesendes) Zitat des ersten Halbjahr 2015:


AG Koblenz, Urteil vom 24.06.2015, Az. 164 C 2751/14:
  • (...) Insbesondere ist das Gericht der Auffassung, dass die Klägerin die Anforderungen an eine Naschforschungspflicht überspannt, wenn sie meint, der Beklagte müsse umfangreich Auskunft über das allgemeine und über das konkrete Nutzungsverhalten des Mitnutzers am angeblichen Tattag erteilen. Denn zum Einen ist - wie die Klägerin selbst in vergleichbaren Fällen immer wieder vorträgt - die Anwesenheit des Täters eines unerlaubten Filesharing zum Zeitpunkt des Anbietens im Internet gar nicht notwendig: Die Filesharingprogramme erledigen das, einmal installiert, von selbst. Zum Anderen ist eine Rekonstruktion des konkreten Nutzerverhaltens an einem bestimmten Tag regelmäßig nicht mehr möglich, wenn Monate oder Jahre nach der angeblichen Tat ein Abmahnschreiben oder eine Klage eingehen. (...)



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Steffen Heintsch für AW3P




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Initiative AW3P
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07343 Wurzbach/Thüringen

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10118 Beitrag von cytex » Sonntag 5. Juli 2015, 19:56

Hallo zusammen,

ich habe folgende Frage zum Thema Fristen mit AG und Prozesskostensicherheit:
Mein Anwalt hat ggü. der Klägerin ein Prozesskostensicherheit verlangt.
In einer mündlichen Verhandlung am 24.03.2015 hat der Richter entschieden, dass binnen vier Wochen die Prozesskostensicherheit durch die Klägerin zu hinterlegen ist.
Diese Entscheidung wurde meinem Anwalt per Brief vom 30.04.2015 mitgeteilt (Urteilsabschrift vom 29.04.).
Die Klägerin hat aber erst am 02.06. (Datum des Schreibens), was eigentlich schon nach den 4 Wochen ist, um eine Aufschub gebeten (zum 16.06.2015). Eingangstempel des Gerichts ist aber auch erst der 25.06.2015.
Ein Richter hat dann eine Verlängerung bis 15.07. zugestimmt.
Ist das mit den Fristen alles so in Ordnung? Trotz Briefstreik erscheint mir das alles ziemlich willkürlich... ;.ä

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10119 Beitrag von Steffen » Montag 6. Juli 2015, 16:04

Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff:
Schadenersatzklage vom AG Frankfurt-Höchst
wegen Verjährung abgewiesen
(jetzt im Volltext)




16:05 Uhr


Wie Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff am 18.05.2015 informierte, wurde gegen die Europool GmbH, vertreten durch die Berliner Kanzlei BaumgartenBrandt, vor dem Amtsgericht (AG) Frankfurt-Höchst eine Klageabweisung (Urt. v. 06.05.2015, Az. 386 C 1813/14 (80)) erstritten aufgrund Verjährung der Ansprüche trotz Mahnbescheid. Der Beklagte behauptete, das Abmahnschreiben nicht erhalten zu haben und machte dies auch aufgrund näherer Umstände glaubhaft. Aus diesem Grunde war der Mahnbescheid als verjährungshemmende Maßnahme nicht geeignet, denn er nahm für die Bezeichnung der Ansprüche auf das Abmahnschreiben Bezug.


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Bild

Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff

Kanzlei Hagendorff
Hugenottenstraße 94
61381 Friedrichsdorf/Taunus
Telefon: 06172 688014
In dringenden Fällen:
mobil 0170 839 40 70
Telefax: +49 6172 688016
Telefax2: +49 3212-118 94 17
E-Mail: info@kanzlei-hagendorff.de
Web: kanzlei-hagendorff.de

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~



Mit freundlicher Genehmigung der Kanzlei Hagendorff dürfen wir das rechtskräftige Urteil im Volltext veröffentlichen.



---------------------------------------
  • Amtsgericht Frankfurt am Main
    Außenstelle Höchst

    Aktenzeichen: 386 C 1813/14 (80)


    verkündet laut Protokoll am 06.05.2015 [Anmerkung von RAin Hagendorff: in der mit Berichtigungsanordnung vom 26.06.2015 gültigen Fassung] ...


    Im Namen des Volkes


    Urteil


    In dem Rechtsstreit


    E. GmbH, ... 80331 München
    Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte ... 10117 Berlin

    gegen

    X.Y., ... 65795 Hattersheim
    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff, Hugenottenstraße 94, 61381 Friedrichsdorf

    hat das Amtsgericht Frankfurt am Main - Außenstelle Höchst durch Richterin am Amtsgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2015 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent ...



    Tatbestand:

    Die Klägerin begehrt von dem Beklagten wegen des unerlaubten Anbietens des zu ihren Gunsten urheberrechtlich geschützten Filmwerks "Niko - Ein Rentier hebt ab" im Internet (sogenanntes "Filesharing") Schadenersatz nach der Lizenzanalogie sowie Ersatz der durch die Abmahnung vom 19.03.2010 entstandenen Rechtsanwaltskosten.

    Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe das Filmwerk ..., das auf seinem DVD-Cover einen C-Vermerk zugunsten der Klägerin trage und dessen Coproduzentin sie sei, am 29.11.2009 um 3:50 Uhr unter der IP-Adresse 91 ... zum Download im Internet im Wege des Tausches im Peer-to-Peer Netzwerk angeboten. An diesem Filmwerk habe die Klägerin, vom Beklagten ebenfalls mit Nichtwissen bestritten, die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für den deutschsprachigen Raum von der U. GmbH erworben.

    Mit Schreiben vom 19.03.2010 (Bl. 47-51 d.A.) forderte der Klägervertreter den Beklagten zur Unterlassung auf und unterbreitete den Vorschlag, zur Erledigung sämtlicher infrage stehender Schadenersatzansprüche einen Pauschalbetrag in Höhe von 850,00 EUR zu zahlen.

    Mit Schreiben vom 10.02.2010 hat die Klägerin von der Deutschen Telekom den Namen des Beklagten erhalten.

    Unter dem 27.12.2013 hat die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheides beantragt. Der Mahnbescheid ist am 02.01.2014 erlassen worden und dem Beklagten am 08.01.2014 zugestellt worden. Im Mahnbescheid ist die Hauptforderung bezeichnet mit: "Rechtsanwalts- / Rechtsbeistandshonorar gemäß Abmahnung K 0052- ... vom 19.03.2010" und 2. Schadenersatz aus Lizenzanalogie (Abmahnung vom 19.03.2010 Az. K 0052- ..."

    Mit Klagebegründungsschriftsatz vom 09.09.2014, zugestellt am 24.09.2014, hat die Klägerin die Klage begründet.



    Die Klägerin beantragt,

    1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 EUR betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2014 zu zahlen.

    2. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 555,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2014 zu zahlen.



    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Er behauptet, er habe die Abmahnung vom 19.03.2010 nicht erhalten. Er habe zu der genannten Zeit keinen Zugriff auf seinen Computer gehabt, weil er diesen zur Reparatur gegeben habe. Die Reparatur sei nicht durchgeführt; vielmehr sei der Computer einbehalten worden und ihm sei der Kaufpreis zurückgezahlt worden. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.



    Entscheidungsgründe:

    Die Klage ist unbegründet.

    Es kann dahinstehen, ob der Klägerin Schadenersatzansprüche und ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten wegen der Abmahnung vom 19.03.2010 zustehen. Der Beklagte ist jedenfalls berechtigt, die Leistung zu verweigern. Eventuelle Ansprüche der Klägerin sind verjährt. Die Schadenersatzansprüche nach der Lizenzanalogie und der Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten nach § 97 Abs. 2 Urhebergesetz unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren.

    Die 10-jährige Verjährungsfrist gemäß §§ 102 Satz 2 Urhebergesetz, 852 BGB ist nicht einschlägig. Der Beklagte hat auch nach dem Vortrag der Klägerin nichts auf Kosten der Klägerin erlangt. Es bestand keine Möglichkeit für den Beklagten, mit der Klägerin einen Lizenzvertrag abzuschließen. Der Beklagte hat deshalb auch nicht als Nutzer einer Internettauschbörse eine Lizenzgebühr erspart. Es liegt keine Bereicherung aufseiten des Beklagten, auch nach dem Vortrag der Klägerin vor. Es handelt sich vielmehr um deliktische Schadenersatzansprüche.

    Die 3-jährige Verjährungsfrist war am 24.09.2014 ... [Anmerkung von RAin Hagendorff: also zum Zeitpunkt der Zustellung der Klagebegründung] ... abgelaufen. Sie begann spätestens am 01.01.2011, da die Klägerin im Jahre 2010 Kenntnis vom Namen des Beklagten erhalten hatte. Der Lauf der Verjährung ist nicht durch die Zustellung des Mahnbescheides gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Der geltend gemachte Anspruch ist nicht individualisierbar bezeichnet. Der Beklagte konnte nicht erkennen, welcher Anspruch ihm gegenüber geltend gemacht wird, da im Mahnbescheidsantrag sowohl für die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten als auch für die geltend gemachte Lizenzgebühr auf das Abmahnschreiben der Klägervertreter vom 19.03.2010 Bezug genommen wird. Eine weitere Kennzeichnung des geltend gemachten Anspruchs im Mahnbescheid liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass dem Beklagten das Abmahnschreiben zugegangen ist. Der Beklagte war mithin nicht in der Lage zu erkennen, welche Ansprüche konkret gegen ihn von der Klägerin geltend gemacht werden. Dies war dem Beklagten erst mit Zugang der Klagebegründung am 24.09.2014 möglich, die Verjährungsfrist war bereits am 31.12.2013 abgelaufen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung übe die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.



    Rechtsbehelfsbelehrung

    Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht Frankfurt am Main, Gerichtsstraße 2, 60313 Frankfurt am Main.

    Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

    W...
    Richterin am Amtsgericht


    beglaubigt ... Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, 29. Juni 2015

---------------------------------------




AG Frankfurt-Höchst, Urteil vom 06.05.2015, Az. 386 C 1813/14 (80)

HarzMan
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10120 Beitrag von HarzMan » Montag 6. Juli 2015, 17:12

Steffen hat geschrieben:Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff:
Schadenersatzklage vom AG Frankfurt-Höchst
wegen Verjährung abgewiesen
(jetzt im Volltext)



Unter dem 27.12.2013 hat die Klägerin den Erlass eines Mahnbescheides beantragt. Der Mahnbescheid ist am 02.01.2014 erlassen worden und dem Beklagten am 08.01.2014 zugestellt worden. Im Mahnbescheid ist die Hauptforderung bezeichnet mit: "Rechtsanwalts- / Rechtsbeistandshonorar gemäß Abmahnung K 0052- ... vom 19.03.2010" und 2. Schadenersatz aus Lizenzanalogie (Abmahnung vom 19.03.2010 Az. K 0052- ..."

Die 3-jährige Verjährungsfrist war am 24.09.2014 ... [Anmerkung von RAin Hagendorff: also zum Zeitpunkt der Zustellung der Klagebegründung] ... abgelaufen. Sie begann spätestens am 01.01.2011, da die Klägerin im Jahre 2010 Kenntnis vom Namen des Beklagten erhalten hatte. Der Lauf der Verjährung ist nicht durch die Zustellung des Mahnbescheides gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Der geltend gemachte Anspruch ist nicht individualisierbar bezeichnet. Der Beklagte konnte nicht erkennen, welcher Anspruch ihm gegenüber geltend gemacht wird, da im Mahnbescheidsantrag sowohl für die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten als auch für die geltend gemachte Lizenzgebühr auf das Abmahnschreiben der Klägervertreter vom 19.03.2010 Bezug genommen wird. Eine weitere Kennzeichnung des geltend gemachten Anspruchs im Mahnbescheid liegt nicht vor. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass dem Beklagten das Abmahnschreiben zugegangen ist. Der Beklagte war mithin nicht in der Lage zu erkennen, welche Ansprüche konkret gegen ihn von der Klägerin geltend gemacht werden. Dies war dem Beklagten erst mit Zugang der Klagebegründung am 24.09.2014 möglich, die Verjährungsfrist war bereits am 31.12.2013 abgelaufen.

AG Frankfurt-Höchst, Urteil vom 06.05.2015, Az. 386 C 1813/14 (80)
So ganz verstehe ich das nicht. "....Der geltend gemachte Anspruch ist nicht individualisierbar bezeichnet. Der Beklagte konnte nicht erkennen, welcher Anspruch ihm gegenüber geltend gemacht wird..." Solche eine Urteilsbegründung liest man desöfteren in Zusammenhang mit "fehlender Individualisierung des Mahnbescheids". Hier, in diesem konkreten Fall, wäre es doch "eigentlich egal gewesen", ob der Betreffende eine Abmahnung erhalten hat oder nicht, die Klage wäre so oder so an diesem besagten Punkt (Individualisierung) gescheitert .... oder ???

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