Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken
- was ändert sich im Urheberrecht?
Rechtsanwalt Malte Dedden
Internetrecht, Urheberrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht, Insolvenzrecht
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Der Bundestag hat heute das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet, mit
dem u.a. die Abmahnung von Urheberrechtsverstößen neu geregelt werden soll.
Der Gesetzgeber hatte bereits 2008 mit § 97a Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG)
versucht, die Abmahnung von Verbrauchern "schmerzfreier" zu gestalten:
"Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher
Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen
mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf
100,00 Euro."
Da diese Begrenzung gleich vier nicht näher definierte Bedingungen hat:
- (a) erstmalige Abmahnung,
(b) einfach gelagerte Fälle,
(c) mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung,
(d) außerhalb des geschäftlichen Verkehrs,
kam sie insbesondere in Filesharingfällen nicht zum Tragen.
Das "Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken" sieht nun folgende Änderungen vor:
- (a) § 97a UrhG wird geändert (Regelungen über die Abmahnung), und
(b) § 104a UrhG wird eingefügt (Regelung des Gerichtsstandes).
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Der neue § 97a UrhG lautet:
- (1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf
Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer
angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.
(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise:
1. Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein
Vertreter abmahnt,
2. die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
3. geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz-und Aufwendungsersatzansprüche
aufzuschlüsseln und
4. wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist,
anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte
Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Nummern 1 bis 4 entspricht, kann der
Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme
anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen
hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den
Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 EUR, wenn der Abgemahnte
1. eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach
diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige
berufliche Tätigkeit verwendet, und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer
rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur
Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein
Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der
genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.
(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der
für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für
den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung
unberechtigt war. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.
Der neue § 104a UrhG lautet:
- "§ 104a Gerichtsstand
(1) Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach
diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände
nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das
Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung
ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn die
beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist
das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
(2) § 105 bleibt unberührt."
Und was bedeutet das jetzt?
Die neue Fassung des § 97a UrhG stellt zunächst einmal Regeln für die Gestaltung der
Abmahnung auf: Wenn die Abmahnung bestimmte Punkte nicht einhält, ist sie unwirksam. Das
bedeutet zwar nicht, dass der Verstoß damit aus der Welt ist, aber eine unwirksame
Abmahnung löst keine Zahlungsansprüche aus.
Die Forderung, den Verletzten genau anzugeben, könnte in der Praxis relevant werden, wenn
es um eine Rechtekette geht, also nicht der Urheber selbst die Abmahnung aussprechen
lässt, sondern jemand, der seine Rechte direkt oder über Dritte vom Urheber herleitet.
Die Angabe der Rechtsverletzung sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, aber
bei weniger seriösen oder unsorgfältigen Abmahnern kann schon mal die Darlegung auf "Sie
haben Rechte unseres Mandanten verletzt!" beschränkt sein. Voraussetzung für eine wirksame
Abmahnung ist jetzt also, dass die Verletzung klar dargelegt ist, damit der Abgemahnte sie
überprüfen kann.
Die Aufschlüsselung der Zahlungsansprüche wird in der bisherigen Abmahnpraxis
uneinheitlich gehandhabt - teilweise werden Anwaltskosten und Schadensersatz ausgewiesen,
teilweise werden die möglichen Beträge nur angedeutet (bei einem Streitwert von X kommen
Kosten von Y zusammen, und die Gerichte sprechen je Titel Z Euro Schadensersatz zu), um
dem dadurch abgeschreckten Leser dann ein scheinbar günstiges "Vergleichsangebot" zu
machen. Da je nach Grad der Haftung nur die Anwaltskosten, nicht aber ein Schadensersatz
zu zahlen ist, hat der Abgemahnte ein berechtigtes Interesse an dieser Aufschlüsselung.
Der Hinweis auf eine über die rechtlich geschuldete Unterlassung hinausgehende
Unterlassungspflicht in der Unterlassungserklärung spiegelt ein altes Problem wider:
Eigentlich ist nur eine Unterlassungserklärung für den konkreten Verstoß, z.B. die
tatsächlich ermittelte Folge einer Fernsehserie, abzugeben. Teilweise werden aber deutlich
darüber hinaus gehende Unterlassungserklärungen gefordert, bis hin zu Erklärungen für das
gesamte Repertoire eines Rechteinhabers. Dies kann bei einem neuen Verstoß, der eigentlich
nur eine weitere Abmahnung auslösen würde, zu sehr teuren Vertragsstrafen führen. Hierfür
soll die neue Regelung ebenfalls schützen.
Da keine Regelung über die Vertragsstrafe aufgenommen wurde, sollten auch die
vorformulierten Unterlassungserklärungen, die dem neuen § 97a UrhG entsprechen, sorgfältig
geprüft werden.
Die Abmahnkosten sollen auch in der neuen Fassung des § 97a UrhG gedeckelt werden, diesmal
allerdings dadurch, dass der Gegenstandswert, aus dem sich die Kosten berechnen, auf
1.000,00 EUR festgelegt wird.
Die Voraussetzungen sind diesmal klarer gefasst:
- (a) der Abgemahnte muss eine natürliche Person sein,
(b) er darf nicht für seine beruflichen Zwecke gehandelt haben (das ist ein erheblicher
Unterschied zur bisherigen Formulierung "außerhalb des geschäftlichen Verkehrs", die von
der Rechtsprechung teilweise deutlich zu weit ausgelegt wurde),
(c) es darf kein Wiederholungsfall vorliegen,. Dies ist nach dem Gesetzesentwurf (S. 15
der Bundestags-Drucksache 17/13057), so zu verstehen, dass es für "Privatpersonen, die
gegenüber dem jeweiligen Rechtsinhaber bisher nicht zur Unterlassung einer konkreten
Urheberrechtsverletzung verpflichtet sind" gilt. Es ist also unerheblich, ob die
abmahnende Kanzlei schon einen Anspruch gegen den Abgemahnten für einen anderen
Rechteinhaber durchgesetzt hat, vielmehr kommt es auf das Verhältnis Rechteinhaber -
Abgemahnter an.
Weiter gibt es nun einen gesetzlich festgelegten Anspruch auf Kostenerstattung zu Gunsten
des Abgemahnten, falls die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist. Dieser Anspruch
sollte also immer greifen, wenn eine Abmahnung nicht den neuen Kriterien entspricht
(unwirksam ist), oder wenn sie unberechtigt war. Letzteres gilt aber nur, wenn die
fehlende Berechtigung für den Abmahnenden erkennbar war. Wenn also "einfach so" abgemahnt
wird, kann eine Kostenerstattung greifen, nicht aber, wenn die Abmahnung auf einer
Providerauskunft beruht oder wenn der Abmahnende sonst sorgfältig gearbeitet hat.
Und die Sache mit dem fliegenden Gerichtsstand?
Der neue § 104a UrhG soll den berühmten "fliegenden Gerichtsstand" eindämmen. Bislang
können Abgemahnte überall verklagt werden, sodass sich die Kläger besonders strenge
Gerichte oder Gerichte mit einer für sie besonders günstigen Rechtsauffassung aussuchen
konnten, was den Rechtsweg für die Abgemahnten deutlich riskanter und weniger vorhersehbar
machte. Auch gibt es Fälle, wo für ausländische Rechteinhaber bevorzugt ein Gericht
gewählt wird, das für den jeweils verklagten Abgemahnten besonders schlecht zu erreichen
ist.
Nach der neuen Regelung soll nun das normalerweise für den Beklagten örtlich zuständige
Gericht greifen. Da gleichzeitig auf § 105 UrhG verwiesen wird, handelt es sich dabei
jedoch nicht um das allgemein zuständige Amts- oder Landgericht, sondern um das für den
jeweils für den Bezirk zuständige Gericht in Urheberrechtssachen. Hintergrund ist, dass
der Gesetzgeber in § 105 UrhG den Ländern die Möglichkeit gegeben hat, für
Urheberrechtssachen besonders spezialisierte Gerichte zu bestimmen. Ohne den Verweis auf
§ 105 UrhG wäre jedes Gericht ohne Rücksicht auf die fehlende urheberrechtliche
Spezialisierung zuständig. Die dadurch drohenden Qualitätsverluste wären das Gegenteil der
beabsichtigten Verbraucher schützenden Neuregelung.
Die Änderungen des UrhG treten am Tag nach der Verkündung in Kraft. Eine Rückwirkung der
Regelung der Abmahnungsgestaltung auf bereits ausgesprochene Abmahnungen ist nicht
vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, wie schnell die Abmahnmuster der einzelnen Kanzleien
angepasst werden. Eine Überprüfung der kommenden Abmahnungen kann sich für die Abgemahnten
auf jeden Fall lohnen.
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Autor: Rechtsanwalt Malte Dedden
Quelle: Conlegi.de
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