Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

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Steffen
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#10221 Beitrag von Steffen » Donnerstag 27. August 2015, 23:59

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WBS-LAW: BGH entscheidet abschließend über Umfang
der Nachforschungspflichten beim Filesharing



23:56 Uhr

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Rechtsanwalt Christian Solmecke

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Tel.: 0221 / 951 563 0 | Fax: 0221 / 400 675 52
E-Mail: info@wbs-law.de | Web: www.wbs-law.de

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Aus diesem Grunde ist zu begrüßen, dass sich in nächster Zeit der Bundesgerichtshof damit beschäftigen wird. Denn das Landgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 01.07.2015 (Az. 9 S 433/14) in einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren die Revision zugelassen. Das Verfahren ist derzeit unter dem Aktenzeichen I ZR 154/15 anhängig.


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Quelle: www.wbs-law.de




Vorinstanz: AG Braunschweig (Urteil v. 27.08.2014, Az. 117 C 1049/14).
SKMBT_50114090311460.pdf
(148.33 KiB) 257-mal heruntergeladen

DogHunter
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10222 Beitrag von DogHunter » Freitag 28. August 2015, 10:06

hallo

wir haben einen Brief vom Amtsgericht bekommen das nun versucht eine Summe von gut 2000 € bei meiner Mutter einzuklagen. Dabei hatten wir den Anwalt Thomas Feil damals eingeschaltet.

So fing damals alles an. Nimrod Kanzlei hatte uns eine Abmahnung wegen filesharing von Astragon zugesended. Forderung 850 € Unterlassungserklärung. Wir riefen bei der Feil Kanzlei an welche uns beriet ein Gegenschreiben aufsetzte mit modifizierter Unterlassungserklärung.

Dannach haben wir Jahre nix mehr von denen gehört. Nach 2 Jahren. Gestern, flattert ein Amtsschreiben ins Haus mit der Forderung nun alles zu bezahlen im wert von 2000 €. Da diese Anwälte es nun eingeklagt haben. Was sollen wir jetzt bloß tun?

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10223 Beitrag von Steffen » Freitag 28. August 2015, 10:46

Hallo @DogHunter,

zuerst einmal wurde m.M.n. der benannte Anwalt eingeschaltet, um der (außergerichtlichen) Abmahnung entgegenzutreten. Diesbezüglich wurde eine modifizierten Unterlassungserklärung abgegeben und die Zahlung an den Abmahner verweigert.

Nur damit allein ist der Rechtsstreit - nicht - erledigt. Der Abmahner kann - und tut dies auch - die Zahlungsforderungen gerichtlich geltend machen solange diese nicht verjährt sind.


Was kann ich jetzt machen bzw. meine Mum?

Dies ist eigentlich ganz einfach. Deine Mum befindet sich in einem laufenden (Zivil-) Gerichtsverfahren. Hierzu muss sie innerhalb einer Frist die aktive Verteidigung anzeigen (oder anerkennen) und in einer weiteren die Klage erwidern. Nur ist dies nicht Aufgabe deiner Mum oder deine, sondern die eines Anwaltes, die deine Mum mit ihren Argumenten füttert. Hier sollte man, - wenn man sich dagegen wehren will - nicht solange warten und schnellstmöglich einen Anwalt beauftragen und die Hilfe der Foren - strikt - meiden, egal was ein Anonymer dir auch vorgaukelt. Denn letztendlich wirst du auch nur an einen Anwalt vermittelt. Das bedeutet, deine Mum kann sich auch sofort an einen Anwalt des Vertrauens wenden und so neugierige dritte Dummschwätzer (IGGDAW, AW3P) ausschließen. Es geht um viel Geld und nicht um Murmeln in einem Kinderspiel.

In der Regel war die Beauftragung des benannten Anwaltes sowie nur innerhalb des außergerichtlichen Teils, so dass man jetzt für den gerichtlichen Teil einen Anwaltes seines Vertrauens neu beauftragen muss.

Man muss sich jetzt im Klaren werden,
  • a) will man sich aktiv verteidigen, oder nicht (anerkennen und bezahlen bzw. vergleichen)
    b) wenn man sich aktiv verteidigt nur mir einen Anwalt des Vertrauens und niemals mit Forenhilfe
und das immer innerhalb der vom Gericht gestellten Fristen.

Bitte jetzt auch keine Details hinsichtlich des Abmahnfalles oder der Klage posten, da deine Mum einmal sich in einem laufenden Verfahren befindet und andermal - jeder - mitliest. Gern aber nach Abschluss des Rechtsstreites. Bitte auch zukünftig den entsprechenden Thread verwenden (Link) - danke.

VG Steffen

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10224 Beitrag von DogHunter » Freitag 28. August 2015, 14:25

Steffen hat geschrieben:Hallo @DogHunter,

Nur damit allein ist der Rechtsstreit - nicht - erledigt. Der Abmahner kann - und tut dies auch - die Zahlungsforderungen gerichtlich geltend machen solange diese nicht verjährt sind.
Ab wann wären diese verjährt ?

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10225 Beitrag von DS5,7 » Freitag 28. August 2015, 15:34

Zur Verjährung lesen Sie bitte hier:

http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/vie ... 398#p30398

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Steffen
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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10226 Beitrag von Steffen » Freitag 28. August 2015, 23:31

Das Landgericht Köln bestätigt
die zehnjährige Verjährungsfrist
für Schadensersatzanspruch nach
der Lizenzanalogie bei "Filesharing"




23:31 Uhr


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

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E info@bb-legal.de
W www.baumgartenbrandt.de


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Nach dem von "BaumgartenBrandt Rechtsanwälte" erstrittenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 08.07.2015 (Az. 2-06 S 21/14) bestätigte nun auch das Landgericht Köln (Beschluss vom 21.07.2015, Az. 14 S 30/15) die Anwendbarkeit der § 102 S. 2 UrhG, § 852 BGB und somit die zehnjährige Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruches nach der Lizenzanalogie nach § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG bei sog. Filesharing.

Der Beklagte war in erster Instanz vom Amtsgericht Köln zur Zahlung von 400,00 EUR Schadensersatz an die von "BaumgartenBrandt Rechtsanwälte" vertretene Klägerin wegen der unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachung des Spielfilms "Stadt der Gewalt" verurteilt worden (AG Köln, Urteil vom 30.03.2014, Az. 137 C 542/14). Gegen das Urteil hatte der Beklagte Berufung eingelegt.

Mit Hinweisbeschluss vom 21.07.2015 wies das LG Köln den Beklagten und Berufungskläger darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung des Beklagten nach § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

Der Beklagte sei hier als Täter der Rechtsverletzung passivlegitimiert. Das Amtsgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin vorgelegten Ermittlungsunterlagen nebst der Versicherung an Eides statt des zuständigen Mitarbeiters der Ermittlungsfirma im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG als starkes Indiz für die Richtigkeit der Ermittlungen anzusehen seien. Das diesbezügliche Bestreiten des Beklagten sei im Ergebnis unerheblich.

Das Amtsgericht Köln sei ferner rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass für den Schadensersatzanspruch nach der Lizenzanalogie die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 102 S. 2 UrhG, § 852 BGB Anwendung finde. Die insoweit insbesondere von einzelnen Amtsgerichten vertretene, anderslautende Rechtsauffassung, welche im Ergebnis von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausgeht, sei abzulehnen. Hierzu führt das Landgericht Köln u.a. aus:
  • "... Soweit vereinzelt einige Amtsgerichte eine Anwendung von § 852 BGB im Sinne von § 102 S. 2 UrhG ablehnen, verkennen sie den Gehalt und die Bedeutung der Regelung im Rechtsgefüge des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts. Hier gilt allgemein der Grundsatz, dass das durch eine Schutzrechtsverletzung oder einen Wettbewerbsverstoß Erlangte auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs aus unerlaubter Handlung als ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2015, ZR I 148/13 - Motorradteile).

    Unzutreffend ist auch die weitere Auffassung des Beklagten, dass ein "bereicherungsrechtlich abschöpfbarer Vorteil" bei ihm gar nicht eingetreten sei, weil der Hauptzweck beim Filesharing darin liege, ein Musikstück oder eine Filmdatei zu erhalten, der Teilnehmer an einem Filesharing-Netzwerk sich mithin keine Lizenzgebühren erspare, sondern allenfalls den üblichen Kaufpreis für eine CD gezahlt hätte. Dieser Maßstab ist bereits im Ansatz und grundlegend ungeeignet. Die von der Klägerin geltend gemachte Rechtsverletzung besteht nicht in dem einzelnen Download, also der einzelnen Vervielfältigung, die ein Filesharing Teilnehmer erstellt, wenn er ein Werk über das Netzwerk auf seinen Computer herunterlädt. Die streitgegenständliche Verletzungshandlung ist das öffentliche Zugänglichmachen gemäß § 19a UrhG, liegt also in dem Angebot an die unübersehbare Vielzahl der Teilnehmer in Filesharingnetzwerken, solche Vervielfältigungen vorzunehmen."


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Autor: BaumgartenBrandt Rechtsanwälte
Quelle: www.baumgartenbrandt.de
Link: http://www.baumgartenbrandt.de/landgeri ... lesharing/


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LG Köln, Beschluss vom 21.07.2015, Az. 14 S 30/15

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10227 Beitrag von Steffen » Samstag 29. August 2015, 08:47

BGH, Urteil vom 09. 07. 2015, I ZR 224/13: "Kopfhörer-Kennzeichnung"

(Vertragsstrafe bei mehreren einzelnen Verstößen)
  • (...) Das Versprechen, eine Vertragsstrafe "für jeden Fall der Zuwiderhandlung" zu zahlen, kann dahin auszulegen sein, dass mehrere zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Einzelverstöße, die auf fahrlässigem Verhalten beruhen, als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen werden.
    (...)
    Wenn es zu einer Mehr- oder Vielzahl von Verstößen gekommen ist, ist dabei zunächst zu prüfen, ob diese eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Handlung darstellen. Wenn keine solche Handlungseinheit vorliegt, kann die Auslegung des Unterlassungsvertrags ergeben, dass mehrere fahrlässig begangene und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Zuwiderhandlungen, die in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu werten sind. (...)

Quelle: lexetius.com

Kohlenpitt

Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10228 Beitrag von Kohlenpitt » Dienstag 1. September 2015, 19:42

Ganz Kurze frage !

Wie verhält es sich denn, wenn ich als Beklagter in der Berufungsverhandlung verliere?

Kann ich dann auch Berufung einlegen ?

Oder hat der Gesetzgeber da einen Riegel davorgeschoben ....?

Gruss Pitt und Dank

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10229 Beitrag von Steffen » Dienstag 1. September 2015, 21:02

Berufung verloren?
  • Revision (am nächst höheren Gericht) = bei einem Urteil
    Kein Urteil - nur Beschluss = sofortige Beschwerde / Rechtsbeschwerde
    Revision nicht zugelassen = Nichtzulassungsbeschwerde
Bei einem Vorgehen am BGH = ein spezieller BGH-Anwalt zu befragen / beauftragen

VG Steffen

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10230 Beitrag von Steffen » Donnerstag 3. September 2015, 15:57

WALDORF FROMMER - Rechts:News


Landgericht München I, Urteil vom 21.08.2015, Az. 21 S 15609/14: Zweigliedriger Prüfungsmaßstab des BGH im Rahmen der sekundären Darlegungslast erfordert ein "Mehr" an Vortrag


15:58 Uhr


Die beklagte Anschlussinhaberin hatte in der ersten Instanz vehement bestritten, dass die Rechtsverletzung zutreffend ermittelt und damit tatsächlich über ihren Internetanschluss vorgenommen wurde. Sie sei "mit ihrer gesamten Familie" einschließlich ihres "Ehemanns" urlaubsabwesend, der Internetanschluss aber gleichzeitig ausreichend gesichert gewesen. Daher müsste es sich um einen Fehler im Rahmen der Ermittlungen der Rechtsverletzung handeln.

Das Amtsgericht München holte daraufhin ein Sachverständigengutachten ein, welches - wie sämtliche gleichgelagerte Gutachten auch - die Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse des Ermittlungssystems "PFS" vollumfänglich bestätigte.

Nachdem das Bestreiten der Ermittlungen erfolglos geblieben war, änderte die Beklagte überraschend ihren Vortrag: Kurz vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens verwies sie nun darauf, dass ihr damaliger Lebensgefährte nicht mit in den Urlaub gefahren sei. Vielmehr sei er die gesamte Zeit zu Hause gewesen und habe Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Ein Widerspruch sei darin nicht zu erkennen, da dieser nicht unter den Begriff "Familie" fallen solle. Einen Ehemann habe sie nicht.

Das Amtsgericht München folgte diesen Ausführungen nicht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des entstandenen Schadens sowie zu Übernahme der gesamten Gerichtskosten, inklusive der für das Sachverständigengutachten entstandenen Kosten.

Das Landgericht bestätigte das Urteil des Amtsgerichts München vollumfänglich. Die zahlreichen Angriffe der Berufung gegen das Sachverständigengutachten seien ebenso wenig nachvollziehbar wie der plötzliche Sinneswandel im Vortragsverhalten der Beklagten. Ungeachtet dessen jedoch sei selbst bei Zugrundelegung des Umstands, dass der Lebensgefährte "zu Hause" geblieben sei, die sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt:
  • "Im Hinblick auf die sekundäre Darlegungslast der Beklagten kommt es zwar nicht auf die Wirrungen um den Lebensgefährten oder Ehemann der Beklagten an, das Erstgericht hat aber zutreffend angenommen, dass die Beklagte die sie treffenden Nachforschungspflichten bezüglich Herrn […] nicht erfüllt hat. Die Kammer erwartet hier entsprechend der BearShare-Entscheidung des BGH konkreten verletzungsbezogenen Sachvortrag. Danach genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.

    In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet. Aufgrund des zweigliedrigen Prüfungsmaßstabs ("und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen") hat das Erstgericht zutreffend angenommen, dass die Beklagte durch den pauschalen Verweis auf die Nutzungsmöglichkeit des Internetanschlusses durch den Zeugen […] ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Gelegenheit hierzu hätte die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 17.06.2014 sowie im Termin vom 25.06.2014 gehabt, so dass der Hinweis auf eine vermeintliche Verletzung des rechtlichen Gehörs neben der Sache liegt. Nach ihrem eigenen Vortrag war sie vom Erstgericht am 10.06.2014 auf die Entscheidung BearShare hingewiesen worden."
Das Landgericht verurteilte die Beklagte somit zur Zahlung der geforderten Rechtsanwaltskosten, von Schadensersatz sowie zur Übernahme der Kosten beider Rechtszüge in Gesamthöhe von weit über 7.000,00 EUR.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Autorin: Rechtsanwältin Carolin Kluge

Quelle:

WALDORF FROMMER
Rechtsanwälte
Beethovenstraße 12
80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10
Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de

Link: http://news.waldorf-frommer.de/waldorf- ... n-vortrag/
Urteil als PDF: http://news.waldorf-frommer.de/wp-conte ... 609_14.pdf


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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10231 Beitrag von Steffen » Samstag 5. September 2015, 11:43

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)
hält an der Einschätzung fest:
»Eine richterliche Anordnung für den Reseller ist nicht erforderlich, da es sich
hier um eine reine Bestandsdatenauskunft handelt.«



11:40 Uhr


Jeder hat wohl den Hickhack um die "Reseller-Thematik" bei Auskunftsbeschlüssen nach § 101 Abs. 9 UrhG mitbekommen. Zu gut Deutsch, einige Gerichte meinen, das wenn sich der Antrag auf Herausgabe von Verkehrsdaten gemäß § 101 Abs. 9 UrhG gegen einen "Backbone-Provider" (Netzvermieter; "Access-Provider") richtet, der Kunde aber einen (Endbenutzer-) Vertrag mit einem "Reseller-Provider" (Netzmieter) abschloss und innehat, ein zweiter Gestattungsantrag gegenüber den "Reseller-Provider" her muss, da ansonsten die gewonnen Daten dem Beweismittelverbot unterliegen.

So meinen zum Beispiel die Amtsgerichte Koblenz (vgl. etwa Urt. v. 14.08.2015, Az. 411 C 2168/14; 12.12.2014, Az. 162 C 1832/14; Beschl. v. 24.11.2014, Az. 411 C 250/14, 02.01.2015, Az. 153 C 3184/14) und Staufen im Breisgau (Urt. v. 30.06.2015, Az. 2 C 296/14),
  • AG Staufen im Breisgau, Urteil vom 30.06.2015, Az. 2 C 296/14:
    (...) Ungeachtet dessen verstößt diese Übermittlung gegen datenschutzrechtliche Vorschriften, ohne insoweit durch diese gerichtliche Genehmigung abgedeckt zu sein. Die Erhebung der Bestandsdaten des Teilnehmers (Rufnummer, Name, Adresse, Geburtsdatum des Teilnehmers und ggf. Anschrift des Anschlusses), die durch die Verknüpfung mit der ermittelten dynamischen IP-Adresse ebenfalls zu Verkehrsdaten werden, erfolgt nämlich primär nicht durch den Access-Provider, sondern durch den Vertragspartner und Provider des Anschussinhabers (sogenannter Reseller). Ein solcher Reseller, bei dem es sich regelmäßig nicht um die Deutsche Telekom AG handelt, sondern entweder eine von deren rechtlich selbstständigen Konzerntöchtern oder einem außerhalb des Konzerns der Deutschen Telekom AG agierenden Drittanbieter erbringt als Vertragspartner des Endkunden dessen Zugang zum Internet als Leistung im eigenen Namen und nutzt hierfür lediglich die Telekommunikationsnetze der Netzbetreiber. Bei diesem Reseller handelt es sich im streitgegenständlichen Fall um die 1&1-AG. Nur zwischen dem Reseller und dem Endkunden bestehen überhaupt telekommunikationsrechtliche vertragliche
    Beziehungen. (...)

Nun kann man sich einfach damit forenfreundlich abgeben, den Entscheidungen uneingeschränkt bzw. blind folgen, oder selbst kritisch hinterfragen. Diesbezüglich befragte ich (per E-Mail) diejenigen, die dafür einzig aussagekräftig und kompetent wäre, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

Dabei basierte die Anfrage auf einen früheren Bericht von AW3P (11.01.2011, AW3P: "Benutzer-Kennung eines Reseller, Verkehrs- oder Bestandsdatum?"), der Information der "Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit" (17.02.2014:, BfDI: "Auskunftsrecht bei Urheberrechtsverstößen") sowie des beigefügten Beispiel der Entscheidung des Amtsgericht Staufen im Breisgau (Urt. v. 30.06.2015, Az. 2 C 296/14)



Was gilt nun?

Sind die Argumentationen der zum Beispiel Amtsgerichte Staufen im Breisgau und Koblenz korrekt, oder bedarf es bei der Beauskunftung, wer der Inhaber einer bestimmten (Reseller-) Benutzer-Kennung ist weiterhin - keine - richterliche Anordnung zur Herausgabe von Verkehrsdaten nach § 101 Abs. 9 UrhG oder bedarf es einer gänzlich neuen Einschätzung? Gestern bekam ich die Antwort der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Referat 8), die ich sinngemäß weitergeben möchte.


Dabei nimmt man Bezug zur Bewertung des Themas auf den BfDI Bericht vom 17.02.2014: "Auskunftsrecht bei Urheberrechtsverstößen":
  • (...) Ist ein sogenannter Reseller* im Spiel, so läuft das Verfahren zweistufig ab: Der Netzbetreiber beauskunftet im ersten Schritt, welcher Benutzerkennung bei welchem Reseller eine bestimmte IP-Adresse zugewiesen war. Danach muss der Reseller dem Rechteinhaber mitteilen, wer der Inhaber der Benutzerkennung ist. Hierbei handelt es sich um eine Bestandsdaten-Auskunft nach § 101 Absatz 2 Nr. 3 UrhG, für die kein richterlicher Beschluss erforderlich ist.

    (...)
    ______________________________

    *Ein Reseller ist ein Service-Provider, der die Vermittlung des Internet-Zugangs als eigene Dienstleistung anbietet und sich dabei der technischen Einrichtung eines Netzbetreibers bedient. Er verfügt über die Bestandsdaten seiner Kunden. Der Netzbetreiber vergibt die IP-Adressen an die Kunden des Resellers und erfährt dabei nur die Benutzerkennung. (...)
Im Weiteren betont man, das diese Einschätzung weiterhin Gültigkeit besäße. Eine richterliche Anordnung für den Reseller ist nicht erforderlich, da es sich hier um eine reine Bestandsdatenauskunft handelt. Gemäß Gestattungsbeschluss teilt z.B. die "Telekom" dem Rechteinhaber den anhand der IP-Adresse + Zeitstempel ermittelten Namen des Resellers und die mit der IP-Adresse (notwendigerweise) verknüpfte Nutzerkennung mit. Der Reseller ermittelt dann anhand dieser Nutzerkennung die Daten seines Kunden in seinen Bestandsdatenbanken. Verkehrsdaten sind hier nicht betroffen. Der Argumentation des Amtsgerichts, das eine richterliche Anordnung auch für die Auskunftserteilung des Resellers erforderlich wäre, da die Auskunft letztlich unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgte, ist nicht zu folgen. Unklar bleibt auch, warum das Amtsgericht davon ausgeht, dass die Telekom eine unvollständige Auskunft - nämlich nur den Namen des Resellers, nicht aber die ihr bekannte Nutzerkennung - erteilen sollte.

Es bleibt abzuwarten, ob sich die Berufungsgerichte uneingeschränkt und im jeden Einzelfall der Rechtsauffassung der Amtsgerichte Staufen im Breisgau und Koblenz folgen werden. Es bleibt weiterhin spannend und zeigt, man sollte mehr hinterfragen als abzunicken.


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Steffen Heintsch für AW3P

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10232 Beitrag von Steffen » Samstag 5. September 2015, 16:43

Amtsgericht Hannover weist unbegründete ".rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR " Klage ab, da etwaige Ansprüche der "Koch Media GmbH" verjährt sind.



16:45 Uhr


Wie die Hamburger Kanzlei ...

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Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs


Dr. Wachs Rechtsanwälte
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~~~~~~~~~~~~~~~~~~

... informiert, wurde mit einem kurzen und knappen Urteil des Amtsgericht (AG) Hannover (Urt. v. 07.08.2015, Az. 547 C 11174/14) eine unbegründete Filesharingklage der "Koch Media GmbH", vertreten durch die Hamburger Kanzlei ".rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR ", erfolgreich abgewiesen, da die vermeintlichen Ansprüche der Klägerin verjährt sind. Auch der beantragte und erlassene Mahnbescheid konnte die Verjährung nicht hemmen.



Urteil
  • (...) hat das Amtsgericht Hannover im Verfahren gem. § 495a ZPO am 07.08.2015 durch die Richterin am Amtsgericht "..." für Recht erkannt:
    • 1. Die Klage wird abgewiesen.
      2. Die Klägerin trägt Kosten des Rechtsstreits.
      3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Von der Darstellung des

    Tatbestandes

    wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen. (...)


Entscheidungsgründe
  • (...) Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Ersatz von Abmahnkosten gemäß §§ 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. §§ 19a, 69a ff. UrhG sowie 97a UrhG.

    Etwaige Ansprüche sind verjährt. Die von der Klägerin behauptete Rechtsverletzung soll im Oktober 2010 stattgefunden haben. Verjährungsbeginn etwaiger Ansprüche war daher der 31.12.2010, Verjährungsende zum 31.12.2013.

    Am 03.07.2913, und damit 181 Tage vor Verjährungsende hat die Klägerin einen Mahnbescheid beantragt, der auch erlassen und dem beklagten zugestellt wurde. Dadurch ist die Verjährung zur Überzeugung des erkennenden Gerichts jedoch nicht gehemmt worden. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass es vorliegend an der erforderlichen Individualisierung des Anspruchs im Mahnbescheidsantrag fehlt. Dort heißt es:

    "Unerlaubte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke aus dem Repertoire des Antragstellers gem. RA-Geb. f. Schr. v. 06.12.2012 RA-Geb. f. Schr. v. 0612.2010 vom 06.12.2010". (...)


Das Amtsgericht Hannover stellt abschließend fest
  • (...) Diese Formulierung ist derart unverständlich, das es selbst einem Juristen schwer fallen dürfte, zu verstehen, was die Klägerin beantragt. (...)

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Hannover, Urteil vom 07.08.2015, Az. 547 C 11174/14
Urteil im Volltext als PDF-Download (1,19 MB)

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........................

Zusammenstellung einiger aktuellen Entscheidungen der Kanzlei Dr. Wachs Rechtsanwälte: Link

........................




AW3P (Nach-) Gedanken

Zuerst einmal Glückwunsch an den Beklagten und seinem Prozessbevollmächtigten, der Kanzlei "Dr. Wachs Rechtsanwälte". Macht es erneut deutlich, das man einen "Anwalt seines Vertrauens" beauftragen sollte, statt 'nen "Dummschwätzer eines Forums".



AW3P-Karikatur 2015

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Steffen Heintsch für AW3P

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AG Hannover, Urteil vom 07.08.2015, Az. 547 C 11174/14

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10233 Beitrag von Abmahnwahn-sinniger » Samstag 5. September 2015, 19:21

heute gab es nach langer Zeit mal wieder passend zum We Post von meinem Brieffreund Waldorf
mit Hnweisen auf Filesharing Urteil 1- 3 ?`wurde mir Ratenzahlung von 100 oder 50 € angeboten. Leider kein Vergleichsangebot.
näheres später
Nö ich nicht

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10234 Beitrag von Steffen » Sonntag 6. September 2015, 09:46

Abmahnungen "Popcorn Time" - was gilt?



09:50 Uhr




Und täglich grüßt das Murmeltier ... Aktuell häufen sich erneut wieder einmal die Berichte hinsichtlich versendeter Abmahnungen der Münchener Kanzlei "Waldorf Frommer" wegen Urheberrechtsverstößen durch Benutzer von "Popcorn Time". "Popcorn Time" ist eine Software, die man im "World Wide Web" herunterladen und installieren muss, um Filme und Fernsehserien von Torrents per Stream anschauen zu können. Es gibt hier aber immer noch sehr viele Unklarheiten, da viele Abgemahnte sagen sie hätten doch nur einen bestimmten Film bzw. TV-Serie per Stream angeschaut und kein Filesharing betrieben.



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Was gilt nun? Diese Frage ist AW3P nachgegangen und hat kurze ausgewählte Fragen an die Münchener Kanzlei "Waldorf Frommer" gerichtet. Für die Beantwortung hat sich Rechtsanwalt Marc Hügel freundlicherweise bereit erklärt. Rechtsanwalt Marc Hügel ist einer der Gesellschafter bei "WALDORF FROMMER". Seit 2003 beschäftigt er sich u.a. intensiv mit der Bekämpfung von diversen Rechtsverletzungen im Internet.



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AW3P: Herr Rechtsanwalt Hügel, handelt es sich bei den Berichten um Verwechslungen oder können Sie bestätigen, dass Ihre Kanzlei Urheberrechtsverletzungen durch Nutzer von "Popcorn Time" an Werken Ihrer Mandantinnen abmahnt?


Rechtsanwalt Marc Hügel: Beides stimmt! Ja, es handelt sich um Verwechslungen und ja, wir haben Nutzer von "Popcorn Time" abgemahnt. Das klingt vielleicht erstmal wie ein Widerspruch, lässt sich aber schnell auflösen:

Es gibt in der Berichterstattung zu "Popcorn Time" ein ganz eklatantes Miss- oder besser Fehlverständnis. Die Filme können zwar über die Software auch im Wege des Streamings konsumiert werden. Bei der dahinter stehenden Technologie handelt es sich um völlig normales BitTorrent.

Mit anderen Worten: Jeder Nutzer von "Popcorn Time" nimmt wie jeder andere Client am "P2P Netzwerk" teil. Während er sich eine Filmdatei herunter lädt - und nichts anderes passiert hier - verbreitet er diese gleichzeitig an die Nutzer des regulären "P2P Netzwerkes" im Wege des Uploads. Dieser Upload findet auch nicht allein gegenüber den Nutzern von "Popcorn Time" statt, sondern steht allen Nutzern der Tauschbörse zur Verfügung.

Ich möchte an dieser Stelle wirklich unterstreichen, dass derzeit keine Ermittlung von "Streaming Diensten" existiert. Unsere Mandantschaft ermittelt nach wie vor ausschließlich in Tauschbörsen. Im Rahmen der Ermittlung kann überhaupt nicht erkannt werden, dass es sich bei einigen ermittelten Anbietern um Nutzer des Dienstes "Popcorn Time" handelt.

Wir können aber mit Sicherheit sagen, dass über den Anschluss jedes Nutzers, den unsere Mandantschaft anschreibt, nachweislich Filme unserer Mandantschaft öffentlich zugänglich gemacht wurden. Es kann für jeden einzelnen Fall ein Datentransfer nachgewiesen werden. Letztlich handelt es sich also um einen ganz normalen "P2P Fall".



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AW3P: Herr Rechtsanwalt Hügel, es herrscht immer noch Unklarheiten bei der Benutzung der Software "Popcorn Time". Es wird ja auf der Webseite von "popcorntime.io" propagiert, so wörtlich: (...) Popcorn Time streamt Filme und Fernsehserien von Torrents (...). Streaming ist ja seit den "RedTube-Abmahnungen" sowie dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Az. C-360/13) rechtens. Warum wird dieses Streaming dann durch Ihre Kanzlei (natürlich im Auftrag Ihrer Mandantinnen) geahndet?


Rechtsanwalt Marc Hügel: Wie gerade in der vorangehenden Antwort erläutert wurde, geht es in den von uns versandten Schreiben nicht um Streaming.

Durch den verwendeten Tauschbörsen-Client wurden nachweislich Filme unserer Mandantschaft Dritten zum Download angeboten, also - juristisch gesprochen - öffentlich zugänglich gemacht. Allein dieser Umstand liegt einer Haftung zugrunde, die rechtliche Beurteilung des Streamings spielt hier schlichtweg keine Rolle.

Aus unserer Sicht kann sich kein Nutzer, der ein solches Angebot nutzt, das für jeden erkennbar das Urheberrecht verletzt ("Torrents per Stream", kostenfreier Zugang zu aktuellen Filmen), auf Privilegierungen des Urhebergesetzes oder seine Unkenntnis berufen. Dass Anwaltskollegen nunmehr propagieren, es sei für die Nutzer ja nicht erkennbar, welche Technologie genutzt werde, halte ich für schwer nachvollziehbar.

Ungeachtet dessen spielt es auch keine Rolle, inwiefern sich der Nutzer eines solchen Tauschbörsenclients darüber im Klaren ist, dass mit dem Abrufen bzw. Downloaden von Dateien zugleich deren öffentliche Zugänglichmachung verbunden ist. Unabhängig davon, dass bestimmte Ansprüche verschuldensunabhängig sind, erachtet es die Rechtsprechung als für den Nutzer zumutbar, sich über die Tragweite seines Handelns zu informieren und ggf. Gewissheit zu verschaffen. Auf der Seite von "Popcorn Time" findet sich sogar der klare Hinweis, dass "Torrents" gestreamt werden. Was genau haben sich die Nutzer denn darunter vorgestellt?

Wir sind ohnehin ein wenig erstaunt über die Aufregung, die hier gleichsam über Nacht entstanden ist. Aus unserer täglichen Praxis können wir sagen, dass sich lediglich eine überschaubare Zahl der Angeschriebenen überhaupt auf die Nutzung von "Popcorn Time" beruft. Weder kann aus unserer Sicht also von einer "Abmahnwelle" die Rede sein, noch ist vorliegend - in technologischer oder juristischer Hinsicht - etwas Neues passiert.

Man kann sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass manche Kollegen die geradezu euphorische Aufregung über "Popcorn Time" als willkommenen "Steigbügel" zur Aufbesserung des eigenen "Google-Rankings" verwenden.



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AW3P: Herr Rechtsanwalt Marc Hügel, kurz und knapp, worin liegt der Unterschied zwischen Streaming und Streaming per "Popcorn Time", was ist erlaubt, was nicht?


Rechtsanwalt Marc Hügel: Ich betone nochmals: "Popcorn Time" ist keine "klassische" Streaming Seite. Genutzt wird normale "P2P Technologie". Soweit es der für "Popcorn Time" verwendete Client ermöglicht, die heruntergeladenen Inhalte sofort anzusehen, ist dies für die rechtliche Bewertung völlig unerheblich. Anders als beim "normalen" Streaming erfolgt eben bei "Popcorn Time" durch den Nutzer ein eigenständiges Angebot im Sinne einer öffentlichen Zugänglichmachung.

Das öffentliche Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Inhalten ist und bleibt rechtswidrig.

Wie das "klassische" Streaming rechtlich zu bewerten ist, wird auf Grundlage anderer Sachverhalte zu klären sein.

Dazu vielleicht nur soviel: Ob und in wieweit z.B. die Nutzer von "kino.to" eine Urheberrechtsverletzung begangen haben, mag noch nicht höchstrichterlich geklärt sein. Die Betreiber von "kino.to" wurden jedenfalls als kriminelle Vereinigung und ihre Taten als gewerbsmäßige Begehung von Urheberrechtsverletzungen angesehen. Ungeachtet der urheberrechtlichen Bewertung sollte sich also jeder Nutzer, der seine Hände zufrieden in Unschuld wäscht, darüber im Klaren sein, wen und was er mit diesem Verhalten genau unterstützt.



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AW3P: Was empfiehlt Ihre Kanzlei hinsichtlich dem Erhalt einer Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung durch die Benutzung von "Popcorn Time". Sollte man diese ignorieren oder darauf immer reagieren?


Rechtsanwalt Marc Hügel: egal ob man eine Abmahnung von unserer Mandantschaft oder von anderen Rechteinhabern erhält: "Den Kopf in den Sand zu stecken" ist nie die richtige Antwort. Nur im konkreten Diskurs kann man Konflikte vermeiden und eine Lösung finden.

Wer sich unsicher ist, sollte natürlich auch rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen. Vorzugsweise bei einem Rechtsanwalt, der sich auf das Urheberrecht spezialisiert hat und dazu bereit ist, sich mit der individuellen Situation des Falles und des Betroffenen eingehend zu befassen.



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AW3P: Ich bedanke mich bei der Münchener Kanzlei "Waldorf Frommer" für die Beantwortung der Fragen.



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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10235 Beitrag von denker75 » Montag 7. September 2015, 17:05

Endlich mal einer mit Durchblick:

AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 13. August 2015, Az. 8 C 1023/15

Der selbst sachverständige Richter schreibt:
"Technisch maßgeblich ist allein, wie lange ein Musiktitel bei welcher Uploadgeschwindigkeit von dem Verletzer des Urheberrechts in der Tauschbörse zum Download angeboten wurde. Diese Faktoren miteinander multipliziert ergeben die maximale Zahl der Downloads (nicht: „Zugriffe“) des Titels vom Verletzer. Wie viele Einzelzugriffe in einem bestimmten – nicht nachvollziehbar begründeten – Zeitraum insgesamt registriert worden sind, ist technisch ohne Belang."

und weiter:
"Das Gericht verkennt schließlich nicht, dass seine vorstehenden Ausführungen, wenn ihnen andere Gerichte folgen würden, das Abmahnwesen im Bereich des Urheberrechts weniger lukrativ machen und schließlich die effektive Verfolgung von Urheberrechtsverstößen in Tauschbörsen beeinträchtigen mögen. Hieraus kann jedoch nicht folgen, dass tatsächlich nicht entstandene – pönale – Schäden liquidiert werden und das Fehlen der unter Richtern wenig verbreiteten technischen Kenntnisse als Vehikel hierfür genutzt wird." (!!!!!)

Beifall!! :rp

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10236 Beitrag von Steffen » Montag 7. September 2015, 23:21

Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies:
Prozesserfolg gegen "BaumgartenBrandt"
am Amtsgericht Braunschweig



23:25 Uhr

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Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies


Rechtsanwälte Knies & Albrecht
Widenmayerstraße 34
80538 München
Tel.: 089 - 47 24 33
Fax.: 089 - 470 18 11
Email: bernhard.knies@new-media-law.net
Web: www.new-media-law.net


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Mit Entscheidung vom 21.08.2015 (Az. 117 C 3682/14) hat das Amtsgericht Braunschweig zugunsten einer von unserer Kanzlei vertretenen Mutter zweier Kinder geurteilt.

Am 05.09.2010 war über das Internetanschluss der Beklagten ein Film in einer Tauschbörse verbreitet worden. Die Kanzlei BaumgartenBrandt hatte der Beklagten daraufhin eine Abmahnung wegen Filesharing zugestellt auf die die Beklagte eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben hat, allerdings ohne die Forderung nach Schadensersatz und Anwaltskosten zu begleichen, die dann - wie bei Baumgarten Brandt üblich - sehr spät im Jahr 2014 eingeklagt wurde.

Vor Gericht hat sich die Beklagte damit verteidigt, dass auch ihre damals knapp 19 jährige Tochter und ihr 15 Jahre alter Sohn Zugriff auf Netzwerk gehabt hätten. Sie habe beide Kinder zuvor altersgerecht belehrt, dass die Teilnahme an Tauschbörsen strikt untersagt sei. Nach Zugang der Abmahnung habe eines der Kinder unter Tränen zugegeben für die Tat verantwortlich zu sein. Die Beklagte meinte aber, nicht verpflichtet zu sein, den Namen des verantwortlichen Kindes preisgeben zu müssen um ihre sekundäre Darlegungslast zu erfüllen.


Das AG Braunschweig ist dieser Auffassung erfreulicherweise gefolgt. Es hat geurteilt:
  • (...) Sie hat explizit vorgetragen, dass eines ihrer beiden von ihr mit Namen und Geburtsdatum benannten Kinder die Verletzungshandlung zugestanden hat. Mehr ist ihr nicht abzuverlangen. Insbesondere kann ihr nicht zugemutet werden, entweder die Tochter oder den Sohn konkret der Tatbegehung zu bezichtigen. Das folgt bereits aus der ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO begründenden engen verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Kind. (...)
Die Entscheidung ist zu begrüßen, anders als zuletzt das Landgericht München in der bekannt restriktiven Auslegung der sekundären Darlegungslast geurteilt hat, wird man zutreffender weise abgemahnte Eltern schon vor dem Hintergrund des grundgesetzlich verankerten Schutzes der Familie nicht verpflichten können, ihre jeweils verantwortlichen Kinder einer (ja auch strafrechtlich sanktionierten) Tat bezichtigen zu müssen, um einen Prozess gegen die Abmahnforderung zu gewinnen.


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Autor: Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies
Quelle: www.new-media-law.net
Link: http://www.new-media-law.net/ag-braunsc ... c-3682-14/


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AG Braunschweig, Urteil vom 21.08.2015, Az. 117 C 3682/14

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10237 Beitrag von Steffen » Dienstag 8. September 2015, 23:45

Verjährung in Filesharing-Fällen:
3 Jahre oder 10 Jahre? -
Besprechung des Urteils des LG Frankfurt a. M.,
Urteil vom 08.07.2015, Az. 2-06S 21/14


23:45 Uhr

  • (...) Zu trennen ist hier zwischen der Geltendmachung des Anspruchs auf Schadensersatz aus sog. fiktiver Lizenz und der Verjährung des Anspruchs auf Abmahnkostenersatz, denn u.a. nach dem Urteil des LG Frankfurt vom 08.07.2015 kann der Anspruch auf Schadensersatz aus sog. fiktiver Lizenz 10 Jahre lang geltend gemacht werden (als "Herausgabe des Erlangten"), die Verjährung des Anspruchs auf Abmahnkostenersatz beträgt aber abschließend 3 Jahre. (...)
... weiterlesen



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Quelle: www.ipjaeschke.de

Rechtsanwalt Dr. Lars Jaeschke, LL.M.
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Wilhelm-Liebknecht-Strasse 35
35396 Gießen
Telefon: 0641 / 68 68 1160
Telefax: 0641 / 68 68 1161
E-Mail: jaeschke@ipjaeschke.de

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10238 Beitrag von Steffen » Mittwoch 9. September 2015, 10:13

Muss mal sein ...
  • Bankenkrise - WIR* schaffen es!
    Griechenlandkrise - WIR* schaffen es!
    Flüchtlingskrise - WIR* schaffen es!
    Sturmgewehrkrise (ca. 300 - 500 Mille) - WIR* schaffen es!
--------------------------------------------------------
* Ersetze WIR mit Steuerzahler

VG Steffen

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10239 Beitrag von Steffen » Mittwoch 9. September 2015, 10:51

Filesharing-Sieg gegen Sasse -
Datenschutzverletzung führt zu
Beweisverwertungsverbot (Reseller)



10:50 Uhr


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Rechtsanwalt Christian Solmecke

WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR
Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 | 50672 Köln
Tel.: 0221 / 951 563 0 | Fax: 0221 / 400 675 52
E-Mail: info@wbs-law.de | Web: www.wbs-law.de

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Das Wichtigste zuerst: Ein weiterer erfreulicher Filesharing-Sieg gegen die Abmahnkanzlei Sasse vor dem AG Rostock (Az. 48 C 11/15). Spannend dabei: Das AG Rostock bezieht sich auf ein Urteil des AG Koblenz: Wenn ein Vertrag über den Zugang zum Internet mit einem Reseller geschlossen (1&1) wurde, der nicht identisch mit dem Netzbetreiber, dem sogenannten Internet-Access-Provider (Deutsche Telekom) ist, muss auch für die Auskunftserteilung durch den Reseller das richterliche Gestattungsverfahren durchgeführt werden. Ansonsten liegt eine Datenschutzverletzung vor, die zu einem Beweisverwertungsverbot führt.

Die Splendid Film GmbH aus Köln, vertreten durch die bekannte Abmahnkanzlei Sasse & Partner, verlangte von unserem Mandanten die Zahlung eines Schadensersatzes wegen einer angeblichen Urheberrechtsverletzung. Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, den Film „Fischen Impossible“ in einer Tauschbörse Dritten zum Download angeboten zu haben.

Mit dem Abmahnschreiben vom 27.02.2013 forderte Splendid Film unseren Mandanten auf, neben einer Unterlassungserklärung zudem einen Schadensersatz sowie die Erstattung von Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

In einem ersten Schreiben gaben wir für unseren Mandanten daraufhin eine Unterlassungserklärung ab, verweigerten jedoch die Zahlung des geforderten Schadensersatzes sowie der weiteren Kosten.
Sasse forderte EUR 1255,80 vor dem AG Rostock

Mit Klage vor dem AG Rostock verlangte Splendid Film gemeinsam mit Sasse & Partner nun die Zahlung einer Summe von insgesamt EUR 1255,80. Gemeinsam mit unserem Mandanten bestritten wir die Aktivlegitimation von Splendid Film sowie die Richtigkeit der ermittelten Datensätze. Zudem wiesen wir darauf hin, dass nicht nur unser Mandant selbst, sondern auch seine Lebensgefährtin sowie die Nachbarn Zugriff auf den Internetanschluss besaßen.



AG Rostock: Kein Schadensersatzanspruch!

Das AG Rostock entschied am 25.08.2015 zu Gunsten unseres Mandanten. Die Klage ist unbegründet und blieb ohne Erfolg. Die geltend gemachten Ansprüche von Sasse & Partner auf Zahlung bestehen somit nicht.

Klage war unbegründet, da die Aktivlegitimation von Splendid Film unklar blieb.

Die Richter am Amtsgericht Rostock folgten unseren Ausführungen und entschieden, dass Splendid Film im Ergebnis nicht ausreichend darlegen konnte, dass das Unternehmen auch tatsächlich aktivlegitimiert war. Das einfache Bestreiten der Aktivlegitimation durch unseren Mandanten ist fraglos zulässig, denn einer Privatperson sind, anders als gegebenenfalls einem gewerblichen Wettbewerber, nähere Nachforschungen nach etwaigen anderen Rechtsträgern als Nutzungsberechtigten nicht zuzumuten. Splendid Film ist, nach Ansicht der Richter, insofern schon bereits im Fall des einfachen Bestreitens unseres Mandanten verpflichtet, die vollständige Rechtekette hinsichtlich des ausschließlichen Nutzungsrechts darzulegen und zu beweisen.

Im Falle der Splendid Film GmbH ließ es sich das Gericht nicht nehmen, nochmals deutlich darauf hin zu weisen, dass Splendid bereits aus einer Vielzahl von vorherigen Urheberrechtsstreitigkeiten wisse, dass sie hinsichtlich der behaupteten Verletzung der eigenen Rechte Darlegungs- und Beweispflichten besitzt.

Zwar konnte ein Zertifikat und eine Erklärung vorgelegt werden, die die Legitimation belegen sollte, die konkreten Verhältnisse blieben jedoch auch für das Gericht völlig unklar.



Datenschutzverletzung führt zu Beweisverwertungsverbot

Die Klage war nicht nur unbegründet sondern sie blieb auch ohne Erfolg, da die Ermittlung der Verbindungsdaten unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unseres Mandanten erfolgte und diese Daten mithin einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Hierzu das AG Rostock:
  • "In Ansehung des hohen Schutzgutes des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat der Gesetzgeber die Erteilung von Auskünften über Bestands- und Verkehrsdaten eingehend geregelt (...) und die Auskunft über Verkehrsdaten (...) zwingend von einer richterlichen Gestattung abhängig gemacht."
Zum Hintergrund: Netzbetreiber und Accessprovider des Internetanschlusses unseres Mandanten war die Deutsche Telekom AG. Als sogenannter Reseller war jedoch die Fa. 1&1 Internet AG Vertragspartner unseres Mandanten. Das Landgericht Köln hatte Splendid Film auf Antrag lediglich gestattet, Auskunft über den Namen und die Anschrift des Nutzers von der Deutschen Telekom AG zu erhalten!

Es bedarf jedoch nach Ansicht des Gerichts zwingend ebenfalls einer richterlichen Gestattung bezüglich der Auskunftserteilung durch die Fa. 1&1 Internet AG. Diese lag nicht vor. Zwar sei der Reseller verpflichtet, die erhobenen Bestandsdaten an den Netzbetreiber (hier die Deutsche Telekom) weiter zu melden, alleiniger Zweck jedoch sei ausschließlich das Auskunftsverfahren, nicht aber urheberrechtliche Belange.

Zulässig wäre daher in den Fällen, in denen der Reseller die Leistung im eigenen Namen erbringt und nicht mit dem Access-Provider (Netzbetreiber) identisch ist, lediglich die Mitteilung des Namens und der Anschrift des Resellers durch den Netzbetreiber. Der Reseller müsste dann, seinerseits die Auskunft über die Daten des Anschlussinhabers erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 101 IX UrhG vorliegen, also wenn diesem die Auskunftserteilung gerichtlich gestattet wurde, da auch diese Auskunftserteilung auf die ermittelte IP-Adresse zurückgeht und damit im Ergebnis und durch die Verknüpfung mit dieser unter Verwendung von Verkehrsdaten erfolgt. Sähe man dies anders, würde es bei einem Auseinanderfallen von Reseller und Provider zu einer Umgehung des richterlichen Vorbehaltes kommen, da im Einzelfall keine richterliche Prüfung der Datenherausgabe im jeweiligen individuellen Vertragsverhältnis stattfinden würde.



Fazit

Die Entscheidung des Gerichts, nicht allein den Auskunftsanspruch gegen den Accessprovider gelten zu lassen, sondern das vor allem eine richterliche Gestattung zur Auskunftserteilung vom Reseller einzuholen ist, ist nachvollziehbar, rechtlich logisch und korrekt und sehr zu begrüßen. Es wird spannend sein zu beobachten, ob sich weitere Gerichte in ihren Urteilen der Ansicht des AG Rostock anschließen, da in den vergangenen Jahren Tausende Abmahnungen lediglich auf der Grundlage eines zuvor ergangenen Auskunftsanspruchs gegen den Accessprovider versendet wurden. (TOS)


............

Hier das Urteil im Volltext: Urt. v. 25.08.2015, Az. 48 C 11/15

............



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Autor: Rechtsanwalt Christian Solmecke
Quelle. www.wbs-law.de
Link: https://www.wbs-law.de/allgemein/filesh ... bot-62942/


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AG Rostock, Urteil vom 25.08.2015, Az. 48 C 11/15

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Re: Deutschland - Allgemeiner Diskussions Thread

#10240 Beitrag von Steffen » Mittwoch 9. September 2015, 23:21

AG Itzehoe weist unbegründete "Schulenberg und Schenk" Klage ab,
da die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast gerecht wurden
(BGH: "Morpheus" - Minderjährige Kinder, 2 Anschlussinhaber)




23:27 Uhr


Wie die Hamburger Kanzlei ...


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Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs


Dr. Wachs Rechtsanwälte
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Telefon: 040 411 88 15 70
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E-Mail: info@dr-wachs.de | Web: www.dr-wachs.de

~~~~~~~~~~~~~~~~~~


... informiert, wurde mit Urteil des Amtsgericht (AG) Itzehoe (Urt. v. 07.08.2015, Az. 94 C 299/14) eine unbegründete Filesharingklage der "I-ON New Media GmbH", vertreten durch die Hamburger Kanzlei "Rechtsanwälte Schulenberg und Schenk", erfolgreich abgewiesen, da die beklagten Anschlussinhaber ihrer sekundären Darlegungslast gerecht wurden. Die minderjährigen Kinder wurden belehrt und die Benutzung einer Tauschbörse verboten.



........................

Zusammenstellung einiger aktuellen Entscheidungen der Kanzlei Dr. Wachs Rechtsanwälte: Link

........................




Urteil
  • (...) hat das Amtsgericht Itzehoe durch den Richter "..." aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.07.2015 für Recht erkannt:
    • 1. Die Klage wird abgewiesen.
      2. Die Klägerin trägt Kosten des Rechtsstreits.
      3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. (...)
      4. Der Streitwert wird auf 1.151,80 EUR festgesetzt. (...)


Tatbestand

Die beklagten Anschlussinhaber (2 AI, Ehepaar) wurden wegen einen behaupteten Urheberrechtsverstoßes in einem P2P-Netzwerk (Film: "Shamo - The Ultimate Fighter"; Log.: 02/2010) ursprünglich von der Berliner Kanzlei "BaumgartenBrandt" abgemahnt. Die Klägerin ist der Meinung, dass die Beklagten als Anschlussinhaber die Rechtsverletzung selbst begangen hätten sowie dieses nicht widerlegen konnten, da ihre Kinder zum Tatzeitpunkt keinen Zugang auf den Internetanschluss gehabt hätten. Außerdem hätten die Beklagten ihre minderjährige Kinder nicht darüber belehrt, dass die Nutzung von Tauschbörsen verboten und zu unterlassen sei. Die Klägerin bestreitet, das die Beklagten ihren Internetanschluss mit einen individuellen WPA2-Passwort gesichert hätten. Die Klägerin beantragt die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Schadensersatz in Höhe von 500,00 EUR sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, in Höhe von 651,80 EUR (Gegenstandswert: 19.000,00 EUR) jeweils nebst Zinsen zu zahlen.



Entscheidungsgründe


Beklagten haften nicht als Täter
  • (...) Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Schadensersatz noch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten. (...)

    (...) 1. Die Beklagten haften nicht gemäß § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz. Das sie die ihnen zur Last gelegte Urheberrechtsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig begangen haben, kann nicht festgestellt werden (...)

Das Amtsgericht Itzehoe zur höchstrichterlichen Rechtsprechung
  • (...) Nach der Rechtsprechung spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine von einem bestimmten Internetanschluss aus begangene Urheberrechtsverletzung durch den Anschlussinhaber verübt wurde. Ihn trifft dann insofern eine sekundäre Darlegungslast, als dass er darzulegen hat, ob und ggf. welche andere Personen in Betracht kommen (BGH NJW 2013, 1441 "Morpheus"; BGH NJW 2014, 2360 "BearShare"). Dieser sekundären Darlegungslast sind die Beklagten hier gerecht geworden. Sie haben vorgetragen, dass ihre zum Begehungszeitpunkt noch minderjährigen Kinder jeweils über einen eigenen PC mit Zugang zu dem Internetanschluss und über altersgemäße PC-Kenntnisse verfügt hätten. Nach Befragung zur möglichen Täterschaft der Kinder hätten diese eine solche bestritten, was die Beklagten ihren Kindern zwar grundsätzlich geglaubt hätten,was aber dennoch eine Restunsicherheit hinsichtlich der Täterschaft der Kindern nicht ausschließe. (...)

Das Amtsgericht Itzehoe zur Beweislast
  • (...) Aufgrund dieses Vorbringen ist die Klägerin wiederum beweispflichtig für die Täterschaft der Beklagten. Einen solchen Beweis konnte die Klägerin jedoch nicht führen. Die Zeugen "xxx" und "xxx xxxx" konnten bestätigen, dass sie mit eigenen PCs Zugang zum Internet über den Anschluss der Beklagten hatten. Auf nachfrage, wer den behaupteten Urheberrechtsverstoß begangen haben könnte, beriefen sich die Zeugen jeweils auf ihr sachliches Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 ZPO uns waren insofern für die Klägerin unergiebig. (...)

Beklagten haften nicht als Störer
  • (...) 2. Die Beklagten haften auch nicht als Störer gemäß § 97 Abs. 1 UrhG auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten. (...) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der mögliche Störer seine Pflichten verletzt hat. trifft denjenigen, der den Störer in Anspruch nimmt. Der mögliche Störer muss in Rahmen einer sekundären Darlegungslast vortragen, welche Maßnahmen er ergriffen hat und weshalb ihm weitere Maßnahmen nicht zuzumuten sind (vgl. BeckOK UrhG, § 97 Rn. 45; BGH GRUR 2008, 1097). (...)
  • a) (...) nach der Rechtsprechung des BGH konkretisieren sich diese Vorgaben im Falle einer Urheberrechtsverletzung im Internet, bei der minderjährige Kinder als Täter in Betracht kommen, dergestalt, dass Eltern ihre Aufsichtspflicht dadurch genügen, dass das Kind über die Rechtswidrigkeit von Tauschbörsen belehren und ihnen eine Teilnahme daran verbieten. Die Beklagten haben dargelegt, dass dies hier geschehen ist und sie, nachdem sie durch einen entsprechenden Beitrag im Fernsehen für das Thema sensibilisiert worden seien, ihre Kinder darüber aufgeklärt hätten, dass die Teilnahme an Tauschbörsen gefährlich und verboten sei. (...)

    (...) Die aufgrund dieser Darlegung für die Verletzung einer Verhaltenspflicht zur Belehrung der Kinder beweispflichtige Klägerin konnte den Beweis, dass eine solche Belehrung tatsächlich unterblieben ist, in der mündlichen Verhandlung nicht führen. Die von ihr benannten Zeugen, die Kinder der Beklagten "xxx" und "xxx xxxx", waren insofern nicht ergiebig. Die Zeugin "xxx xxxx" bestätigte den Beklagtenvortrag, wonach die Beklagten ihr deutlich gemacht hätten, dass sie Tauschbörsen nicht besuchen dürfe und auch nichts herunterladen dürfe. Auch die Zeugin "xxx xxxx" sagte aus, dass die Beklagten ihn auf ein Verbot des Besuches von Tauschbörsen hingewiesen hätten. (...)
  • b) (...) Der BGH verlangt insoweit eine Sicherung durch ein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort (vgl. BGH a.a.O.). Die Beklagten haben hier vorgetragen, dass ihr WLAN mit einem individuellen Zahlenpasswort und nach dem WPA2-Standart gesichert war. Dies haben sie auch in ihrer persönlichen Anhörung bestätigt, wo sie noch ergänzten, dass sie das Passwort in Gestalt einer 16stelligen Buchstaben- und Zahlenkombination regelmäßig geändert hätten. (...)

    (...) Die für die Verletzung einer Verhaltenspflicht nach dieser Darlegung wiederum beweispflichtige Klägerin konnte den Beweis nicht durch die Vernehmung der Zeugen "xxxx" und "xxx xxxx" führen, die jeweils für sie unergiebig war. Die Zeugin "xxx xxxx" sagte aus, sich nicht mehr genau erinnern zu können, aber zu wissen, dass ein schwer erinnerbares Passwort eingegeben werden musste. Der Zeuge "xxx xxxx" hat ebenfalls den regelmäßigen Wechsel eines langen WPA2-Codes bekräftigt und konnte damit den Vortrag der Klägerseite auch nicht bestätigen. (...)


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AG Itzehoe, Urteil vom 07.08.2015, Az. 94 C 299/14
Urteil im Volltext als PDF-Download (4,21 MB)

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AW3P (Nach-) Gedanken

Zuerst einmal Glückwunsch an die Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten, der Kanzlei "Dr. Wachs Rechtsanwälte". Macht es erneut deutlich, das man mit Erhalt einer Klageschrift bzw. Anspruchsbegründung nach einem widersprochenen Mahnbescheid einen "Anwalt seines Vertrauens" beauftragen sollte, statt einen Dummschwätzer eines Forums (IGGDAW, AW3P).


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Steffen Heintsch für AW3P

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AG Itzehoe, Urteil vom 07.08.2015, Az. 94 C 299/14

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